NDR-Recherche :
Corona trifft arme Hamburger Stadtteile hart

Seit Beginn der Coronapandemie gab es unter den knapp 4500 Bewohner*innen auf der Veddel 357 Coronafälle. Foto: Actionpress / Panther Media GmbH

Die Coronapandemie trifft auch in Hamburg vor allem ärmere Stadtteile. Was lange vermutet wurde, hat jetzt eine Recherche des Hamburg Journals erstmals belegt. Rot-Grün reagiert.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Bis März dieses Jahres wurde in Eppendorf bei 499 Menschen das Coronavirus nachgewiesen. In Jenfeld wiederum zählt die Sozialbehörde 1386 Infizierte, dabei leben in dem Stadtteil ähnlich viele Einwohner*innen. Fast so unterschiedlich wie die Infektionszahlen sind auch die Sozialdaten beider Stadtteile: Liegt die Zahl der Sozialhilfeempfänger*innen in Eppendorf bei gerade einmal zwei Prozent, beträgt sie in Jenfeld laut Statistikamt Nord 19,9 Prozent.

Eine Datenanalyse des Hamburg Journal fördert jetzt zu Tage, dass seit Beginn der Pandemie die Zahl der Corona-Infektionen besonders in ärmeren Stadtteilen wie Neuenfelde, Heimfeld, Harburg, Wilhelmsburg, Billstedt, Rothenburgsort, Billwerderoder auch Neuallermöhe hoch ist.

Die höchste Inzidenz an Coronafällen gibt es laut NDR bislang auf der Veddel – allerdings fließt hier auch ein Ausbruch an einer Stadtteilschule mit rund 100 Infizierten in die Statistik mit ein. In der Poliklinik Veddel zeigt man sich wenig überrascht angesichts der jetzt vorliegenden Zahlen: „Wir haben in mehreren Stellungnahmen in den vergangenen Monaten gewarnt“, sagt Arzt Philipp Dickel. „Dass mehr Menschen auf der Veddel, in Billstedt oder in Jenfeld an Corona erkranken, liegt nicht am Verhalten der Menschen, sondern an engen Wohnungen.“ Oftmals würden mehrere Generationen in einer Wohnung zusammenleben. „Klar, dass ein Infizierter dann auch schnell die anderen ansteckt“, sagt Dickel.

„Dass mehr Menschen auf der Veddel, in Billstedt oder in Jenfeld an Corona erkranken, liegt an engen Wohnungen.“– Philipp Dickel, Arzt in der Poliklinik Veddel

Neben den Wohnverhältnissen spielen laut Dickel allerdings auch die Arbeitsverhältnisse eine entscheidende Rolle. Seine These: Während in reichen Stadtteilen seit Monaten viele im Homeoffice tätigt sind, gehen die Menschen in den betroffenen Stadtteilen im Hamburger Osten und Süden weiterhin ihren Tätigkeiten auf dem Bau, im Handwerk oder auch Lagerhallen nach. „Allerdings gibt es dazu bislang wenige belegbare Statistiken“, räumt Dickel ein.

Damit sich das ändert, bringen SPD und Grüne heute einen Antrag in die Bürgerschaft ein. „In Stadtteilen, wo häufiger beengte Wohnverhältnisse herrschen und die Erwerbsarbeit seltener im Homeoffice ausgeübt werden kann, sind die Ansteckungsraten inzwischen stark erhöht“, sagt Gudrun Schittek, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen. „Die großen Unterschiede auf Stadtteilebene machen es notwendig, dass gezielt lokal reagiert wird. Deshalb verstärken wir im ersten Schritt die bereits erfolgreich arbeitenden mehrsprachigen und aufsuchenden Teams, Initiativen und Projekte vor Ort.“ In Zukunft sollen außerdem monatlich die Infektionszahlen der einzelnen Stadtteile bekanntgegeben werden.

Rot-Grün will kostenlose Masken verteilen

Bereits Ende März hatte die Linksfraktion in der Bürgerschaft beantragt, dass Behördenmitarbeiter*innen als sogenannte Corona Guides die Menschen in den betroffenen Stadtteilen besser informieren sowie FFP2-Masken und Schnelltests mobil anbieten. Der Antrag wurde damals allerdings abgelehnt. Auf erneuten Antrag der rot-grünen Koalition wurde allerdings jetzt am 8. April in der Bürgerschaft entschieden, dass über das städtische Infomobil die Ausgabe von kostenlosen medizinischen Masken an bedürftige Personen erfolgen soll.

Autor:in
Jonas Füllner
Jonas Füllner
Studium der Germanistik und Sozialwissenschaft an der Universität Hamburg. Seit 2013 bei Hinz&Kunzt - erst als Volontär und inzwischen als angestellter Redakteur.

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