Trotz aller Neubaubemühungen wächst die Zahl der Wohn-Notfälle weiter an. Mehr als 13.000 Haushalte warten aktuell mit einem Dringlichkeitsschein vergeblich auf eine eigene Bleibe.
Die Zahl der sogenannten Wohnungsnotfälle ist in den letzten fünf Jahren um mehr als die Hälfte gestiegen: 2015 warteten Angehörige von fast 8.000 Haushalten mit Dringlichkeitsschein vergeblich auf eine Sozialwohnung. Aktuell liegt die Zahl bei 13.079. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine parlamentarische Anfrage der Linken hervor.
Obdachlose, Geflüchtete, Menschen mit Behinderung, von Gewalt bedrohte Frauen oder auch Haftentlassene benötigen besondere Unterstützung bei der Wohnungssuche. Sie erhalten daher vom Wohnungsamt einen Dringlichkeitsschein, der zum Einzug in eine Sozialwohnung mit einer sogenannten WA-Bindung berechtigt – WA steht in diesem Fall für Wohnungsamt. Doch aktuell haben nur noch 32.530 der rund 80.000 Sozialwohnungen in Hamburg eine derartige Belegungsbindung.
„Die rot-grünen Senate haben es nicht geschafft, den Trend zu brechen“, sagt Dirk Hauer, Leiter des Fachbereichs Migration und Existenzsicherung bei der Diakonie. „Dazu braucht es den politischen Willen, klare Zielsetzungen und entschlossene Maßnahmen wie etwa die Aufhebung der Freistellungsgebiete.“
Mit seiner Forderung zielt Dirk Hauer auf rund 7000 Sozialwohnungen in Mümmelmannsberg, Neuallermöhe-West, Steilshoop und Wilhelmsburg ab, für die teilweise bereits in den 1970er-Jahren die Belegungsbindung aufgehoben wurde und die seitdem auch an Besserverdienende vermietet werden. Würden diese Wohnungen künftig wieder als Sozialwohnungen genutzt, stünden bei einer normalen Fluktuation dadurch jährlich rund 150 Sozialwohnungen für Menschen mit Dringlichkeitsschein neu zur Vermietung.
Bislang zögert der Senat, die sogenannte Freistellung aufzuheben. Stattdessen entschied Hamburgs Regierung vor fünf Jahren, Menschen in Wohnungsnot auf anderem Weg zu helfen. Pro Jahr sollten 300 neue WA-gebundene Wohnungen gebaut werden. Fertiggestellt wurden zunächst nur einige Dutzend. Im vergangenen Jahr allerdings konnte die vereinbarte Zielzahl mit 360 neuen Wohnungen erstmals nicht nur erreicht, sondern gar übertroffen werden.
Auch in diesem Jahr wurden bereits erste Wohnungen fertiggestellt. Ab April bietet der Verein Jugendhilfe in 37 Wohnungen für Menschen aus öffentlich-rechtlicher Unterbringung, darunter auch Mieter*innen mit psychischen Erkrankungen und Geflüchtete. Die fertiggestellten Neubauprojekte versteht Dirk Hauer von der Diakonie als „Hoffnungsschimmer”. „Aber es wird sich noch erweisen müssen, ob das eine Eintagsfliege ist oder nicht“, sagt Hauer. „Denn nach wie vor ist die Lage am Hamburger Wohnungsmarkt für vordringlich wohnungssuchende Menschen dramatisch.“