In Hamburg werden Menschen aus ihren Wohnungen zwangsgeräumt, als würde es die Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen nicht geben. Das ergibt sich aus neuen Zahlen des Senats. Die Linke fordert einen Stopp der Maßnahmen wie im Frühjahr.
Trotz Coronapandemie werden in Hamburg seit Juni wieder Zwangsräumungen durchgeführt. Zwischen Juli und September mussten in Hamburg 326 Haushalte ihre vier Wände räumen – 18 mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Das ergibt sich aus der Senatsantwort auf eine Bürgerschaftsanfrage der Linksfraktion. Demnach haben Hamburgs Gerichtsvollzieher bereits im Juni ihre Arbeit „vollständig wieder aufgenommen und Zwangsräumungen terminiert“. Zu Beginn der Coronapandemie im März hatte die Justizbehörde Vollstreckungen vorübergehend ausgesetzt.
Wie aus der Senatsantwort hervorgeht, gingen 56 der Zwangsräumungen zwischen Juli und September auf das Konto der städtischen Saga. Auf Hinz&Kunzt-Nachfrage erklärte deren Sprecher Gunnar Gläser, das Unternehmen verzichte „in Fällen nachweislich durch die Corona-Krise bedingter Zahlungsausfälle oder Mietrückstände“ weiterhin auf fristlose Kündigungen oder Räumungen. Entsprechende Maßnahmen würden nur „in Fällen einer massiven Störung des Hausfriedens“ durchgeführt.
„Die Pandemie und ihre sozialen und wirtschaftlichen Folgen für die Menschen sind noch lange nicht vorbei.“– Stephanie Rose, Linke
Mitte März hatte die Saga erklärt, sie werde auf Zwangsräumungen und auch fristlose Kündigungen verzichten, um ihre Mieter*innen in Zeiten der Krise nicht zusätzlich unter Druck zu setzen. Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) hatte die Entscheidung ausdrücklich begrüßt: „In dieser außergewöhnlichen Situation ist das der richtige Schritt, um den Menschen – bei all der Sorge um die Gesundheit – die Angst um ihre Wohnung zu nehmen.“
Die Linksfraktion fordert angesichts der wieder angestiegenen Infektionszahlen, Zwangsräumungen erneut zu stoppen. „Wir befinden uns in einer ähnlichen Situation wie zu Beginn“, sagte die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion, Stephanie Rose. „Die Pandemie und ihre sozialen und wirtschaftlichen Folgen für die Menschen sind noch lange nicht vorbei. Im Gegenteil, wir haben aktuell einen Teil-Lockdown.“ Mieter*innen müssten deshalb geschützt werden.
Keine Angaben über die Arbeit der Fachstellen für Wohnungsnotfälle
Ein weiterer bemerkenswerter Umstand wird durch die Anfrage öffentlich: Die Stadt kann nicht sagen, wie viele Menschen sich in den vergangenen Monaten bei den Fachstellen für Wohnungsnotfälle als obdachlos gemeldet haben und wie vielen die Ämter helfen können. Entsprechende Daten lägen seit mehr als einem Jahr nicht vor, so der Senat. Seine Erklärung dafür: Bei der Einführung einer neuen Software in der Sozialbehörde habe es Probleme gegeben.