Trotz der Coronapandemie werden weiterhin Obdachlose von ihren Schlafplätzen vertrieben. Dabei hatten die Bezirke noch im März angekündigt, mehr Rücksicht walten zu lassen.
Der Alltag für Obdachlose gestaltet sich durch die Corona-Pandemie eigentlich schon schwierig genug: Tagesaufenthaltsstätten sind geschlossen, medizinische Angebote eingeschränkt und zeitweilig gab es kaum noch Essensausgaben. Recherchen von Hinz&Kunzt zeigen jetzt, dass trotzdem seit dem Ausbruch der Pandemie mindestens jeden vierten Tag in Hamburg eine Platte von Obdachlosen geräumt wurde. Dadurch verlieren die Betroffenen nicht nur ihren Schlafplatz: Häufig wird so auch der Kontakt zu Sozialarbeiter*innen beendet, die ihnen helfen wollen.
Dabei hatten sich einige Bezirke noch Ende März dafür ausgesprochen, Plattenräumungen vorerst auszusetzen. Doch allein in den innenstadtnahen Bezirken Altona, Eimsbüttel und Mitte gab es seitdem 37 Räumungen. „In der Regel waren die Lager aber bereits verlassen“, betonen die Bezirke Altona und Mitte. In den anderen Fällen hätte es Beschwerdelagen von Anwohner*innen gegeben oder aber die Räumung sei zur Abwehr von akuten Gefahren erforderlich geworden. So hätte beispielsweise eine Gruppe Obdachloser auf einer Verkehrsinsel genächtigt, teilt das Bezirksamt Mitte mit.
Eine Räumung müsse allerdings nicht im Konflikt enden, stellt das Bezirksamt Eimsbüttel klar und verweist auf eine Gruppe Obdachloser, die sich auf einem Kinderspielplatz niedergelassen hatte, aber der Aufforderung den Platz zu verlassen „umgehend nachgekommen“ sei.
Aber haben die Bezirke während der Coronapandemie nun Rücksicht walten lassen und Räumungen tatsächlich „auf ein kleinstmögliches Mindestmaß begrenzt“, wie der Bezirk Nord mitteilt? Die nackten Zahlen sprechen zumindest eine andere Sprache. In den vergangenen fünf Jahren gab es im zweiten Quartal nie mehr als 21 Räumungen. In diesem Jahr hingegen waren es in dem viermonatigen Zeitraum zwischen April und August insgesamt 27 Räumungen.
Die Ausnahme bildet wie so oft der Bezirk Bergedorf. Von dort meldet die Pressestelle wie in den Vorjahren: „Bergedorf hat kaum bis gar keine Probleme mit Obdachlosigkeit und räumt auch keine Schlafplätze.“