Schlachthöfe :
So will Hubertus Heil die Fleischindustrie reformieren

Ein Schlachthof in Norddeutschland. Foto: Mauricio Bustamante

Bundesarbeitsminister Heil (SPD) hat schärfere Regeln für die Fleischindustrie angekündigt. So will die Regierung den Einsatz von Werkvertragsbeschäftigten verbieten. Auslöser der Gesetzesinitiative sind Corona-Ausbrüche in mehreren Schlachthöfen.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Die Corona-Pandemie macht möglich, wofür Gewerkschaften seit Jahren erfolglos gekämpft haben: Der Einsatz von Werkvertragsbeschäftigten in deutschen Schlachthöfen soll ab Anfang kommenden Jahres weitestgehend verboten werden. „Das Schlachten und Verarbeiten von Fleisch darf dann nur noch von eigenen Mitarbeitern durchgeführt werden“, erklärte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Mittwoch. Zudem habe das Kabinett weitere Pläne beschlossen: Der Arbeitsschutz solle künftig häufiger kontrolliert, die Bußgelder bei Verstößen erhöht und die muttersprachliche Beratung der meist ausländischen Arbeiter*innen ausgebaut werden. Entsprechende Regeln könnten schon vor Anfang 2021 in Kraft treten. Heils Ministerium werde in den kommenden Wochen einen Gesetzentwurf vorlegen.

Demonstration gegen Fleischindustrie

Nachdem sich zuletzt die Corona-Fälle in der Fleischindustrie häuften, ruft die Initiative Tierbefreiung Hamburg am Sonntag zu einer Kundgebung in Solidarität „mit den ausgebeuteten Arbeiter*innen“ in der Nähe des Fleischgroßmarktes im Schanzenviertel auf. Los geht es um 14 Uhr im Arrivati-Park am Neuen Pferdemarkt. Die Beschäftigten in den großen Fleischverarbeitungsbetrieben seien nicht nur in Zeiten von Corona „krassen Bedingungen ausgesetzt“, heißt es im Aufruf zu der Aktion. „Es braucht ein Ende der prekären Anstellung der Arbeiter*innen“, fordert das Bündnis und befindet sich damit im Einklang mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der allerdings Werkverträge in der Fleischindustrie erst ab kommenden Jahr verbieten will.

Mit der Initiative reagiert die Bundesregierung auf Corona-Ausbrüche in mehreren deutschen Schlachthöfen, die die oft schlechten Arbeits- und Wohnverhältnisse von Beschäftigten in der Fleischbranche in den Blick von Öffentlichkeit und Politik rücken. Bis zu 80 Prozent der meist osteuropäischen Arbeiter*innen sind für Subunternehmen tätig, die ihnen neben dem Job oft auch ein Bett stellen. Seit Jahren gibt es immer wieder Klagen über Akkordarbeit, Überstunden, miese Löhne und beengte Unterbringung, berichten Beratungsstellen.

„Wir können nicht mehr von Einzelfällen sprechen, das sind strukturelle Probleme.“– Hubertus Heil

„Wir erleben in dieser Corona-Krise, dass wie in einem Brennglas die Verhältnisse in unserer Gesellschaft ausgeleuchtet werden“, sagte nun Hubertus Heil. Das betreffe auch „das massive Infektionsgeschehen in Fleischfabriken unserer Republik“. Eine Wurzel des Übels und „der teilweise empörenden Arbeitsbedingungen“ liege „in der Konstruktion von Sub-Sub- Subunternehmertum“, mit der die Fleischkonzerne Verantwortung für Missstände auslagern würden, so der Arbeitsminister: „Wir können nicht mehr von Einzelfällen sprechen, das sind strukturelle Probleme.“ Es habe in den vergangenen Jahren mehrere Anläufe gegeben, die Verhältnisse in der Branche zu verbessern – ohne Erfolg. „Wenn die Fleischwirtschaft ihre Selbstverpflichtungen umgesetzt hätte, wären wir schon einen großen Schritt weiter.“

Gewerkschaft: „Beseitigung eines Krebsgeschwürs“

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten begrüßte die Pläne der Regierung: Das angekündigte Verbot des Einsatzes von Werkvertragsbeschäftigten im Kernbereich der Schlachtindustrie „kommt der Beseitigung eines Krebsgeschwürs gleich“, erklärte der stellvertretende Vorsitzende Freddy Adjan. Auch schärfere Kontrollen befürwortet die Gewerkschaft, weist aber auf mögliche Probleme bei der Umsetzung hin: „Dringend notwendig ist es, die Kontrollkapazitäten in den Bundesländern, die teilweise kaputtgespart worden sind, wieder aufzustocken.“ Der Verband der Fleischwirtschaft erklärte, er unterstütze Verbesserungen beim Arbeitsschutz. Das Verbot von Werkverträgen hingegen sei „vollkommen unangemessen, um die in der Kritik stehenden Sachverhalte zu regeln“.

Zahlreiche Corona-Fälle in norddeutschen Schlachthöfen

Nahezu täglich waren zuletzt Corona-Ausbrüche in deutschen Schlachthöfen bekannt geworden. So hatte der Landkreis Osnabrück vergangenen Montag die Mitarbeiter*innen eines Zerlegebetriebs nach einem massiven Corona-Ausbruch in Quarantäne geschickt. In Bad Bramstedt war Anfang Mai ein Schlachthof geschlossen worden, nachdem sich rund 140 der 260 Mitarbeiter*innen mit dem Virus infiziert hatten. Die Unterbringung mancher Beschäftigter – etwa in Mehrbettzimmern mit gemeinsamer Küchen- und Badnutzung in einer ehemaligen Kaserne in Kellinghusen – verstoße gegen die Coronaschutzstandards der Bundesregierung, beklagte der Deutsche Gewerkschaftsbund – bislang offenbar ohne Folgen.

Wie ein Sprecher des für die Arbeitsaufsicht zuständigen Kreises Segeberg erklärte, hat der Schlachthof in Bad Bramstedt am Mittwoch seinen Betrieb wieder aufgenommen. Die „Einhaltung hygienisch einwandfreier Produktionsbedingungen und insbesondere auch der Personalhygiene … wird sehr ernst genommen und ständig … überwacht.“ Im Kreis gebe es zudem „keine großen Sammelunterkünfte wie in Kellinghusen“.

Der hierfür zuständige Landrat des Kreises Steinburg, Torsten Wendt, erklärte gegenüber Hinz&Kunzt, ihm sei „eine Veränderung der Art der Unterbringung nicht bekannt“. 66 im Kreis lebende „Personen aus dem Umfeld der Fleischindustrie“ seien bis Dienstag gesund aus der Quarantäne entlassen worden. „Nach jetzigem Stand der Medizin gehen wir davon aus, dass sie sich nicht erneut infizieren können.“ Der Konzern Vion, Betreiber des Schlachthofs in Bad Bramstedt, und sein Subunternehmen DSZ GmbH ließen mehrere Hinz&Kunzt-Anfragen zu den Arbeits- und Unterbringungsverhältnissen der Arbeiter*innen unbeantwortet.

Autor:in
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas schreibt seit vielen Jahren für Hinz&Kunzt - seit 2022 als angestellter Redakteur.

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