Volksinitiative :
„Expedition Grundeinkommen“ sammelt Unterschriften für Modellprojekt

Einen Versuch wäre es wert, finden die Initiator*innen der Volksinitiative "Expedition Grundeinkommen". Sie wollen einen staatlichen Auftrag zum Test erwirken. Foto: Expedition Grundeinkommen

Ausprobieren, wie das bedingungslose Grundeinkommen wirkt – das ist das Ziel der neuen Volksinitiative „Expedition Grundeinkommen“ in Hamburg. Am Mittwoch startet die Unterschriftensammlung.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Die Forderung: Der Senat soll ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt auf den Weg bringen. Damit es dazu kommt, müssen zunächst innerhalb von drei Wochen 12.000 Personen unterschrieben haben. Parallel versuchen die Initiator*innen, auch Menschen in Bremen, Berlin, Schleswig-Holstein und Brandenburg von ihrem Vorhaben zu überzeugen. Welche Erkenntnisse ein solches Forschungsprojekt zutage fördern könnte und wie das Grundeinkommen gestrickt sein müsste, damit alle etwas davon haben, erläutert Initiatorin Laura Brämswig im Interview mit Hinz&Kunzt.

Hinz&Kunzt: Sie wollen einen Modellversuch zum bedingungslosen Grundeinkommen starten. Wie soll der aussehen?

Laura Brämswig: In Hamburg würden 2000 Menschen für drei Jahre lang das Grundeinkommen ausgezahlt bekommen. Die Summe wäre jeweils unterschiedlich hoch, weil wir verschiedene Varianten ausprobieren wollen. Es sind ja viele verschiedene Ideen zum Grundeinkommen in der Diskussion: von Sozialdividenden, wo jeder einen bestimmten Betrag ausgezahlt bekommt, bis zu Modellen, wo es vom Einkommen abhängt, ob man überhaupt ein Grundeinkommen erhält. Diese Ideen möchten wir nach Möglichkeit alle testen, auch um zu sehen, welchen Effekt die Höhe der Zahlungen hat. Ab wann reduziert sich Stress bei den Teilnehmenden? Bei welchen Beträgen gehen die Leute noch arbeiten, wann nicht mehr? All diese Fragen wollen wir beantworten.

Laura Brämswig ist eine der Initiator*innen der Volksinitiative, die das bedingungslose Grundeinkommen in Modellversuchen erproben lassen möchte. Foto: Expedition Grundeinkommen

Welche Grundeinkommensmodelle sollen konkret getestet werden?

Die Varianten sind noch nicht komplett ausdefiniert. Ein Kriterium haben wir aber bereits festgelegt, nämlich dass das Grundeinkommen immer existenzsichernd sein muss und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Es muss also auf jeden Fall höher ausfallen als die heutigen Sozialleistungen.

Auch Obdachlose sollen teilnehmen dürfen

Wie wählen Sie aus, welche Leute an dem Modellversuch teilnehmen dürfen?

Wir suchen Quartiere, die in Bezug auf Altersstruktur, Herkunft und Einkommen möglichst repräsentativ sind für die Gesamtgesellschaft. Das könnte ein Ort in der Stadt sein oder auch mehrere. Uns ist wichtig, dass die Leute, die am Versuch teilnehmen, möglichst nah zusammen wohnen, damit auch ein Gemeinschaftsgefühl entsteht und Leute sich untereinander austauschen. So können wir eine kleine Gesellschaft nachbilden. Gibt es mehrere Straßenzüge, die infrage kommen, entscheidet das Los.

Können auch Menschen ohne festen Wohnsitz an dem Modellversuch teilnehmen?

Ja. Alle Menschen, die in dem ausgewählten Gebiet ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort haben, sind Teil dieser Studie und können das bedingungslose Grundeinkommen beziehen.

Die derzeitigen Versorgungssysteme – Hartz IV, Rente oder Krankenversicherung – würden ja parallel zum Versuch weiter existieren. Wie wollen Sie damit umgehen?

Klar, die Gesellschaft drumherum wollen wir nicht einfach abschalten. Manche Leistungen erübrigen sich für die Teilnehmenden des Modellversuchs aber ohnehin. Wer vorher etwa Hartz IV bezogen hat, würde dann für die Dauer des Versuchs diese Leistung nicht mehr bekommen, weil er oder sie ja über das Grundeinkommen versorgt wäre.

Verbreitete Sorge: Wer Grundeinkommen erhält, hört auf zu arbeiten

Wie soll für Menschen gesorgt werden, die als Härtefälle gelten und aufgrund ihrer Lage mehr Geld brauchen als andere?

Zusätzliche Sozialleistungen, etwa für Menschen mit Behinderung, sollen natürlich unabhängig vom Grundeinkommen weiter bestehen. Wer etwa auf eine persönliche Assistenz angewiesen ist, würde dafür zwar kein zusätzliches Geld aus dem Topf für das Grundeinkommen erhalten. Er oder sie hätte aber natürlich weiterhin einen rechtlichen Anspruch darauf, dass diese Leistung von anderer Seite weiter bezahlt wird.

Und was sagen Sie zu dem Einwand, dass ein bedingungsloses Einkommen dazu führen könnte, dass niemand mehr arbeiten möchte?

Das ist eine verbreitete Angst, wir bekommen dazu auch immer wieder Rückfragen auf der Straße. Manche Leute wollen auch deshalb nicht unterschreiben. Aber wenn man sich die bisherigen Forschungsergebnisse aus Kanada, Finnland oder Indien anguckt, dann kann man sagen: Es gibt keine wissenschaftliche Basis für diese Annahme, dass sich diese Angst bewahrheitet. Es gibt Leute, die mit Grundeinkommen ihre Arbeitszeit reduzieren, das hat zum Beispiel der kanadische Versuch gezeigt. Aber die Leute haben nicht aufgehört zu arbeiten. Trotzdem nehmen wir diesen Einwand ernst. Deshalb wollen wir ja auch das Grundeinkommen nicht sofort einführen, sondern erst einmal den Versuch machen. Sollte sich dabei herausstellen, dass niemand mehr arbeitet, dann wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht zukunftsfähig.

 

Hier können Interessierte unterschreiben

Um die Volksinitiative „Expedition Grundeinkommen“ zu unterstützen, muss man auf offiziellen Listen von Hand unterschreiben. Die Listen gibt es auf der Internetseite zum Herunterladen. Von Mittwoch an sind auch Unterschriftensammler*innen in Hamburg auf den Straßen unterwegs. Unterschreiben können übrigens auch Menschen ohne Meldeadresse.

Autor:in
Annabel Trautwein
Annabel Trautwein
Annabel Trautwein schreibt als freie Redakteurin für Politik, Gesellschaft und Kultur bei Hinz&Kunzt - am liebsten über Menschen, die für sich und andere neue Chancen schaffen.

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