Housing First :
Serie begleitet Obdachlose in die eigene Wohnung

Ela (45), Helmut (62) und Nici (36) waren jahrelang obdachlos. Mit dem Einzug in eine eigene Wohnung beginnt für sie ein neues Leben. Fotos: TVNOW

Der heroinabhängige Helmut schläft auf der Straße. Er kann nicht mehr. Dann bekommt der 63-Jährige eine gute Nachricht … Am Dienstag startet die Doku-Reihe „Obdachlos – Einzug in ein neues Leben“ auf VOX. Wir haben vorab rein geschaut.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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12 Monate Drehzeit in Düsseldorf, sechs Protagonist*innen, drei Sendetermine – das sind die Eckdaten von „Obdachlos – Einzug in ein neues Leben“. Die neue Dokureihe auf VOX (Start: Di., 11.2. um 20:15 Uhr) begleitet sechs ganz unterschiedliche Obdachlose auf ihrem Weg in die eigene Wohnung. Die dreiteilige Reihe ist in enger Zusammenarbeit mit dem Düsseldorfer Straßenmagazin fiftyfifty entstanden. „Wir sind total glücklich mit dem Ergebnis“, sagt Sozialarbeiterin Julia von Lindern im Gespräch mit Hinz&Kunzt.

Ein Grund: Autor Oliver Krämer (i&u-TV) und sein Kamerateam nahmen sich viel Zeit, um die Geschichten von Helmut, Nici, Ela und den anderen wohnungs- und obdachlosen Menschen zu erzählen: „Sie haben ein knappes Jahr gedreht“, so Julia von Lindern. Dabei hielten sich die Fernsehleute angenehm im Hintergrund. „Das kennen wir auch anders, gerade bei privaten Sendern“, sagt die Sozialarbeiterin. Zudem hatten die fiftyfifty-Mitarbeiter*innen das letzte Wort, mit wem, wo und was gedreht wurde.

Die Sozialarbeiter*innen Oliver Ongaro und Julia von Lindern betreuen nicht nur das Housing First-Projekt bei fiftyfifty in Düsseldorf, sie waren auch bei den Dreharbeiten für die TV-Doku maßgeblich beteiligt.

Schon in der ersten Folge ist die Kamera ganz nah dran an den Menschen, stellt sie jedoch nie aus: so wie Helmut. Der 63-jährige fifityfifty-Verkäufer verlor den Halt im Leben, nachdem sich seine Frau von ihm trennte. Heroin, Knast, das ganze Programm. Zwischenzeitlich war er clean, nun ist Helmut nach einem Rückfall wieder auf Droge. 80 Euro braucht er jeden Tag, um seine Sucht zu finanzieren.

Helmut schläft im Seiteneingang einer Kirche, eingerollt in einen Schlafsack und mehrere Decken. „Das ist einfach nur ein Dasein und kein Leben“, sagt er. Sozialarbeiterin Julia von Lindern und ihre Kolleg*innen von fiftyfifty spüren, dass ihnen nicht mehr viel Zeit bleibt: „Wir haben tatsächlich gedacht: So wie der gerade drauf ist, der schafft nicht noch einen Winter draußen“, sagt von Lindern.

Der 63-jährige Helmut ist nach einem Heroin-Rückfall wieder auf der Straße gelandet. Er schläft im Seiteneingang einer Kirche. „Das ist einfach nur ein Dasein, kein Leben“ sagt er.

Erst die Wohnung, dann alles andere

Dann die Wende: Über das Housing First-Programm von fiftfyfifty bekommt Helmut den Schlüssel zu einer kleinen Wohnung. Bereits seit 2014 bringen die Düsseldorfer Menschen ohne Obdach so in die eigenen vier Wände – bedingungslos. Das Housing First-Prinzip ist so einfach wie überzeugend: Erst die Wohnung, dann alles andere. Die Idee stammt aus Amerika, auch in Finnland, Dänemark und Österreich gibt es durchweg ermutigende Erfolge. In Hamburg hat sich Rot-Grün kurz vor der Bürgerschaftswahl immerhin für ein entsprechendes Modellprojekt ausgesprochen.

In Düsseldorf ist man da schon weiter: 50 kleine Wohnungen gehören fiftyfifty, sie sind über das ganze Düsseldorfer Stadtgebiet verteilt. Hier haben 60 ehemals Obdachlose dauerhaft ein neues Zuhause gefunden. Nur vier Leute haben bisher abgebrochen. Bei anderen Housing First-Projekten liegt die Erfolgsquote ebenfalls bei über 90 Prozent, so Julia von Lindern.

Alleinsein ist ungewohnt

Helmut stellt sich in seiner neuen Wohnung erst mal auf den Balkon, atmet tief aus und zündet sich eine Zigarette an. „Viele Menschen, die lange obdachlos waren, haben erst mal ein Problem mit geschlossenen Räumen“, sagt von Linderns Kollege Oliver Ongaro in der Doku. Eine andere Herausforderung: das ungewohnte Alleinsein. „Die Leute, die jahrelang gemeinsam Platte gemacht haben, haben abends mit der Einsamkeit ihre Schwierigkeiten“, sagt Julia von Lindern. Wer Unterstützung braucht, kann sich immer an die Sozialarbeiter*innen wenden – alles auf freiwilliger Basis. „Es gibt überhaupt keinen Druck dahinter, aber wir bieten es sehr nachdrücklich an und fragen auch regelmäßig nach“, sagt sie.

Überraschende Nachricht: Sozialarbeiter Oliver Ongaro überrascht fiftyfifty-Verkäufer Helmut an seinem Stammplatz: Er hat eine Wohnung gefunden!

Für Helmut entpuppt sich die neue Wohnung mit Balkon als Jackpot. „Er hat sich insgesamt total stabilisiert“, sagt die Sozialarbeiterin ein Jahr nach Helmuts Einzug. Er ist in einem Methadonprogramm, hat sogar zwischenzeitlich Arbeit gefunden. „Das ist es auch, was uns über die Jahre hier von dem Ansatz Housing First so überzeugt sein lässt“, sagt die Sozialarbeiterin, „die Ressourcen, die da plötzlich bei den Menschen frei gelegt werden, sind absoluter Wahnsinn.“

„Wir werden häufig gefragt, ob wir Gummibärchensaft getrunken haben“, lacht die Sozialarbeiterin. Der Erfolg des Projekts sei aber nicht auf ein Zaubermittel zurückzuführe, sondern darauf, dass die eigenen vier Wände den Menschen endlich wieder neue Lebensperspektiven bieten würde: „Das eröffnet Möglichkeiten“, sagt von Lindern.

Wie es Helmut ergangen ist und wie Housing First das Leben der anderen Obdachlosen in Düsseldorf nachhaltig verändert hat, das kann man ab Dienstag auf VOX mitverfolgen – klarer TV-Tipp!

Sendetermine „Obdachlos – Einzug in ein neues Leben“

Start der Doku-Reihe am Dienstag, 11.2. um 20.15 Uhr auf VOX. Weitere Folgen am 18. und 25.2. jeweils um 20.15 Uhr.

Autor:in
Simone Deckner
Simone Deckner
Simone Deckner ist freie Journalistin mit den Schwerpunkten Kultur, Gesellschaft und Soziales. Seit 2011 arbeitet sie bei Hinz&Kunzt: sowohl online als auch fürs Heft.

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