In der Bürgerschaftsdebatte am Mittwoch haben die Parteien intensiv über Obdachlosigkeit diskutiert. Rot-grüne Anträge für ein Housing-First-Modellprojekt, eine Pension für Arbeitssuchende aus dem EU-Ausland und eine bessere Gesundheitsversorgung von Obdachlosen wurden teils einstimmig angenommen.
Es war eine Meldung, die vor zwei Wochen durchaus für Überraschung gesorgt hat: In mehreren gemeinsamen Anträgen forderte die rot-grüne Regierungskoalition deutliche Verbesserungen in der Obdach- und Wohnungslosenpolitik. Das gesamte Maßnahmenpaket wurde am Mittwoch mit großer Mehrheit von der Bürgerschaft angenommen. Teils einstimmig von allen Fraktionen. Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer sagt dazu: „Dass alle Parlamentarier*innen mit einer solchen Einigkeit der Meinung sind, dass es so nicht weitergeht und eine Veränderung eintreten muss, um das Thema Obdachlosigkeit in den Griff zu bekommen, freut mich sehr!“
Die Maßnahmen im Überblick
„Wir bohren dicke Bretter“
Mareike Engels, sozialpolitische Sprecherin der Grünen, machte zu Beginn der Bürgerschaftsdebatte deutlich, dass die Maßnahmen eine Konsequenz aus der Obdach- und Wohnungslosenuntersuchung von 2018 seien. Die hatte unter anderem gezeigt, dass viele Menschen aus dem EU-Ausland auf der Suche nach Arbeit nach Hamburg kommen und dann obdachlos werden. Mit den nun vorgestellten Maßnahmen wolle man vor allem auch stärker präventiv tätig werden. Sie betonte aber auch, dass es bis zur vollständigen Umsetzung der Maßnahmen noch dauern könne: „Wir bohren dicke Bretter, die weit in die nächste Legislaturperiode hineinreichen werden.“
„Wir haben zugehört!“– Uwe Gifei (SPD)
Mit den Maßnahmen werde die aktuelle Legislaturperiode zu einem guten Ende gebracht, ergänzte Uwe Giffei und betonte darüber hinaus die Rolle, die Forderungen aus der privaten Obdachlosenhilfe gespielt hätten: „Stephan Karrenbauer von Hinz&Kunzt hat gesagt, SPD und Grüne haben offenbar gut zugehört. Ja, das haben wir!“ Und tatsächlich: Ein Ankunftshaus etwa hatte Hinz&Kunzt zum ersten Mal 2016 angeregt.
Für die Opposition kommt das Paket zu spät
Die sozialpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Franziska Rath, bemängelte hingegen, die Anträge kämen zu spät und basierten teilweise auf CDU-Anträgen, die lange verschleppt worden seien. In mehreren Zusatzanträgen forderte sie darüber hinaus weitere und vor allem konkretere Maßnahmen: etwa mehr Plätze für psychisch Kranke sowie medizinisches Personal im Pik As. Diese Zusatzanträge wurden jedoch abgelehnt.
„Wir fragen uns: was passiert eigentlich nach der Wahl?“– Cansu Özdemir (LINKE)
Dass die Anträge zu spät kämen kritisierte auch die Fraktionsvorsitzende der Linken, Cansu Özdemir. Die Forderungen der Sozialverbände lägen schließlich schon lange vor: „Drei Wochen vor der Wahl kommen sie plötzlich mit einem Maßnahmenpaket um die Ecke, wo die Zeit zur Diskussion nicht mehr ausreicht!“ Darüber hinaus seien in den Anträgen vor allem Prüfaufträge und wenig konkrete Maßnahmen enthalten: „Wir fragen uns, was passiert eigentlich nach der Wahl?“ In einem Zusatzantrag, der aber abgelehnt wurde, forderte die Linksfraktion zudem ein sogenanntes Clearing Mobil, mit dem obdachlose Frauen aufgesucht und ihnen Wege aus der Obdachlosigkeit aufgezeigt werden können.
Auch Kurt Duwe (FDP) begrüßte die Anträge grundsätzlich, betonte aber, dass noch viel mehr gegen Obdachlosigkeit getan werden müsse.
Sozialsenatorin Melanie Leonhard erklärte zum Abschluss der Debatte, dass wegen der so unterschiedlichen Problemlagen von Obdach- und Wohnungslosen ein besonders differenziertes Maßnahmenpaket wichtig sei. Mit den vorliegenden Anträgen sei ein weiterer Meilenstein in der Wohnungslosenhilfe erreicht.