Nach Tagen der Unklarheit konnte am Mittwoch das Rettungsschiff „Alan Kurdi“ des Vereins „Sea-Eye“ auf Sizilien anlegen. Mehrere EU-Länder, darunter Deutschland, haben sich zuvor verständigt, die Geretteten von Bord aufzunehmen. Für unsere Dezemberausgabe haben wir mit dem Sea-Eye-Vorsitzenden gesprochen.
Hamburg wird neuer Heimathafen der Alan Kurdi. Warum?
Gorden Isler: In Hamburg leben viele unserer Mitglieder, aber auch Seeleute und Crewmitglieder. Eigentlich ist immer jemand aus Hamburg an Bord. Hamburg ist nun einmal eine Seefahrerstadt. Ein anderer wichtiger Punkt: In Hamburg sitzt das Bundesamt für Seeschifffahrt, die Dienststelle Schiffsicherheit und auch der Internationale Seegerichtshof. Außerdem gibt es in Hamburg viel Unterstützung. Aus der Zivilgesellschaft, aber auch aus dem Rathaus und von den Behörden.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Stadt?
Wir bekommen grundsätzlich sehr viel Unterstützung von den Hamburger Behörden und es finden sehr viele Gespräche statt. Auch momentan haben wir eine Auseinandersetzung zwischen Italien und dem Flaggenstaat, also Deutschland. Die Behörden stehen da zu uns und sagen ganz klar: „Das Schiff ist korrekt registriert, der Verein hat nichts falsch gemacht und deshalb gibt es auch keinen Grund, das Schiff festzuhalten.“ Dennoch würde ich mir wünschen, dass Hamburg noch viel klarer und viel lauter wird, wenn es darum geht, Menschenrechte zu verteidigen. Das würde zu einer solidarischen Stadt dazugehören.
Was macht eine solidarische Stadt aus?
Ich wünsche mir eine Bürgermeisterin oder einen Bürgermeister, der ganz klar zum Völkerrecht und zu den Menschenrechten steht und sagt: „Wir haben eine alte Seefahrertradition, ein Verständnis von Seenotrettung und stehen zu den zivilen Seenotrettern.“ Das könnte man durch finanzielle Unterstützung machen, aber auch durch die zusätzliche Aufnahme von aus Seenot geretteten Menschen. Da ist Hamburg immer ganz ruhig und still. Ich würde mir wünschen, dass Hamburg in diesen Bereichen eine Führungsrolle übernimmt. Es reicht nicht, sich solidarisch zu erklären, man muss auch etwas tun.
Seit 2018 ist Hamburg offiziell „Sicherer Hafen“. Was haben Sie davon mitbekommen?
Hamburg ist das einzige Bundesland, das die NGOs ins Rathaus einlädt und mit uns spricht, sich erkundigt, nachfragt. Also nicht über, sondern mit Seenotrettern spricht und auch gemeinsam mit uns die rechtlichen Themen abklopft und versucht, Netzwerke herzustellen. Hamburg ist aber auch das erste Bundesland, das Gelder in die Hand genommen und gesagt hat: „Seenotrettung muss auch bezahlt werden.“ Das ist total wichtig. Denn Haltung allein reicht nicht aus.
Welche Unterstützung erhoffen Sie sich von der Hamburger Zivilgesellschaft?
Es passiert schon viel. Zum Beispiel hat uns die Nordkirche 25.000 Euro gespendet. Ich glaube aber, dass wir unser Anliegen durch den Umzug nach Hamburg noch mal vielen Menschen näherbringen können. Wir wünschen uns finanzielle und politische Unterstützung, sind aber auch immer auf der Suche nach Menschen, die uns auf unseren Missionen unterstützen. Idealerweise Seeleute. Auch an Weihnachten wollen wir wieder unterwegs sein. Vergangenes Weihnachten konnten wir 17 Menschen retten.
„Auch an Weihnachten wollen wir wieder unterwegs sein.““– Gorden Isler, Sea-Eye-Vorsitzender
Im Oktober wurde die Alan Kurdi von libyschen Milizen bei einem Rettungseinsatz behindert. Dabei wurde auch geschossen. Welche Reaktionen gab es?
Dass deutsche Rettungskräfte mit Waffen bedroht wurde, das ist erst mal an den Leuten vorbeigegangen. Erst nach einigen Tagen hat dann etwas Berichterstattung stattgefunden. Die Ermittlungen in dem Fall hat mittlerweile die Bundespolizei See übernommen. Je nachdem, was diese Ermittlungen ergeben, wird das Verfahren dann aber bei der Hamburger Staatsanwaltschaft landen. Die ist nämlich erst einmal zuständig für Vorfälle in internationalen Gewässern.