Bundesarbeitsminister Heil hat Pläne der Bundesagentur für Arbeit gestoppt, die trotz des Verfassungsgerichtsurteils weiterhin Hartz-IV-Sanktionen von mehr als 30 Prozent ermöglichen sollten – mit einem Trick.
In der Agentur für Arbeit wurde in den vergangenen Tagen an einer Möglichkeit gearbeitet, um auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Hartz-IV-Empfängern ihre Leistungen um mehr als 30 Prozent kürzen zu können. Am Mittwoch berichtete zuerst die Süddeutsche Zeitung über den Entwurf einer Weisung an die Jobcenter, wie sie mit dem Richterspruch von Anfang November umgehen sollen.
Der darin geplante Kniff: Statt wie bislang die Leistungen zum Beispiel um 60 Prozent zu kürzen, sollen mehrere niedrigere Sanktionen parallel verhängt werden können: „das heißt, die Minderungsbeiträge werden in Überschneidungsmonaten addiert“, heißt es in dem Dokument, das Hinz&Kunzt vorliegt. Wird einem Hartz-IV-Empfänger die Leistung also wegen eines abgelehnten Jobangebots um 30 Prozent gekürzt und meldet er sich zusätzlich nicht pflichtgemäß bei seinem Sachbearbeiter, wäre demnach eine Kürzung um insgesamt 40 Prozent möglich.
Die Karlsruher Richter hatten aber geurteilt, dass Sanktionen von mehr als 30 Prozent in der bisherigen Form wegen der „außerordentlichen Belastung“ der Betroffenen verfassungswidrig sind. Die Frage, ob neben einer 30-Prozent-Sanktion eine „andere Leistungsminderung“ unter Umständen zulässig sein könnte, ließen sie allerdings offen – ein Schlupfloch, das die Bundesagentur nun offenbar nutzen wollte. Arbeitsagentur-Chef Detlef Scheele hatte nach dem Urteil erklärt, vorerst gar keine Sanktionsbescheide mehr zu verschicken – bis in einer neuen Weisung an die Jobcenter verfassungsgemäße Regeln aufgestellt würden.
Arbeitsminister Heil spricht ein Machtwort
Der nun durchgesickerte Entwurf aus der Bundesagentur sei „nicht final und deswegen zur Veröffentlichung nicht geeignet“, betonte ein Sprecher des Bundearbeitsministeriums gegenüber Hinz&Kunzt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) werde sicherstellen, dass der Hartz-IV-Satz künftig nicht um mehr als 30 Prozent gekürzt werde: „Eine dementsprechende Weisung wird nach Abschluss des konsultatorischen Verfahrens am Freitag ergehen.“
Gut, daß @hubertus_heil schnell reagiert und die @Bundesagentur wieder eingefangen hat. Die Versicherung, in den Übergangsweisungen gemäß dem BVerfG-Urteil keine Kürzungen über 30 % zu erlauben, ist zentral. Unser politisches Ziel bleibt jedoch die Sanktionsfreiheit. #HartIV https://t.co/jfzQE07h27
— Ulrich Schneider (@UlrichSchneider) November 27, 2019
„Ich bin froh, dass der Bundesarbeitsminister so schnell reagiert hat und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts offenbar ernst nimmt“, kommentierte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, das Geschehen. Auch die Diakonie Deutschland kritisierte den Versuch, den Richterspruch im Sinne hoher Sanktionen auszulegen, scharf. „Bei der Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils muss es darum gehen, die Einhaltung der sozialen Menschenrechte besser zu gewährleisten, nicht darum, Schlupflöcher für möglichst drastische Sanktionen zu suchen“, sagte Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik bei der Diakonie.