Wer Lebensmittel aus Müllcontainern rettet, gilt als Dieb. Das soll sich ändern, sagt Till Steffen (Grüne). Der Hamburger Justizsenator wirbt für eine Gesetzesänderung auf Bundesebene.
Viele Menschen in Hamburg befürworten das sogenannte Containern. Sie retten Lebensmittel, weil sie finden: Was noch genießbar ist, gehört nicht in den Müll. Doch nicht nur aus Protest gegen Verschwendung suchen Menschen in Abfalltonnen nach Essen und Trinken. Manche containern auch aus Not, weil ihnen das Geld zum Einkaufen fehlt und sie nicht wissen, wie sie sich sonst versorgen sollen.
Doch das Retten von Lebensmitteln aus dem Müll ist riskant. Wer es tut, macht sich strafbar – so definiert es das Gesetz. Fremden Besitz ohne Erlaubnis mitzunehmen, sei streng genommen Diebstahl, erläutert Marco Lange, Sprecher der Hamburger Justizbehörde. Das gelte auch für Müll: „Wenn jemand etwas wegschmeißt, heißt das nicht, dass jemand anderes es nehmen darf.“ Das Containern könne theoretisch sogar als schwerer Diebstahl gewertet werden, wenn dabei ein abgeschlossener Müllbehälter aufgeknackt wird. Zudem droht Lebensmittelrettern Ärger wegen Hausfriedensbruch, weil die Container meist auf Firmengelände stehen, das ohne Erlaubnis nicht betreten werden darf.
„Dass Menschen strafrechtlich verfolgt werden, die beim Containern gegen Verschwendung aktiv werden, finde ich falsch.“– Till Steffen, Justizsenator
Justizsenator Till Steffen will dagegen etwas unternehmen. „Wir schmeißen in Deutschland jedes Jahr Millionen Tonnen Lebensmittel weg“, erklärt er. „Gleichzeitig ist im Grundgesetz der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als Staatsziel verankert. Das passt nicht zusammen.“ Er regt nun an, die entsprechenden Gesetze zu ändern: Entweder müsse der Eigentumsbegriff im Bundesgesetzbuch überarbeitet werden, oder die Straftatbestände im Strafgesetzbuch. Umsetzen könnte das alles nur der Bund. Bei der Justizministerkonferenz, die am Mittwoch in Travemünde beginnt, will Steffen einen entsprechenden Antrag stellen.
Für Hinz&Kunzt-Sprecher Stephan Karrenbauer sind das gute Nachrichten. „Wir begrüßen den Vorstoß der Entkriminalisierung von Menschen, die containern, unabhängig davon, ob sie es aus Armutsgründen oder einer politischen Überzeugung heraus tun“, erklärt er. Jeder Mensch solle die Möglichkeit haben, Essen und Trinken vor Verschwendung zu retten. „Verwertbare Lebensmittel gehören nicht in die Tonne.“
Was nicht mehr verkauft wird, ist noch lange nicht schlecht – das wollen Köche, Kunstschaffende und Genießer auch beim Stadtteilfestival Altonale zeigen. Am Sonntag, 2. Juni, um 19 Uhr wird auf dem Platz der Republik das „Kulturfutter“ aufgetischt, ein kostenloses Menü aus geretteten Lebensmitteln. Hinz&Kunzt unterstützt die Aktion und freut sich über Helfer und Gäste.