Nach dem Tod von drei Obdachlosen in den vergangenen Wochen hat die Linksfraktion Zahlen zur Obdachlosigkeit abgefragt. Ergebnis: Bereits vor zwei Jahren starben im Winter mindestens zwei Obdachlose vermutlich an Unterkühlungen.
Aus jetzt veröffentlichten Zahlen der Hamburger Krankenhäuser geht hervor: In den 60 Monaten zwischen Oktober 2013 und August 2018 verstarben insgesamt 62 Obdachlose. In vier Fällen handelt es sich voraussichtlich um Kältetote. Sie wurden unterkühlt ins Krankenhaus eingeliefert und verstarben nur wenige Tage später. Zwei der vier Todesfälle ereigneten sich im Winter vor zwei Jahren.
Der Hamburger Senat hat allerdings keine Kenntnis, wie viele Obdachlose insgesamt auf Hamburgs Straßen in den vergangenen Jahren starben. Das geht aus einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion hervor. Der Grund: Polizei und Feuerwehr führen keine gesonderte Statistik zu Obdachlosen, die sie tot auf der Straße finden.
Hintergrund der Anfrage war der Tod der drei Obdachlosen Biggi, Macij und Joanna. Die Hinz&Kunzt-Verkäuferin Joanna fand eine Passantin Ende Oktober bewusstlos auf einer Parkbank in Niendorf. Sie wurde zwar noch ins Krankenhaus gebracht, doch die Rettung kam zu spät. Todesursache war Unterkühlung. Freunde von ihr und Hinz&Kunzt-Mitarbeiter planen derzeit die Beerdigung der obdachlosen Polin, die nur 43 Jahre alt wurde.
Tod mit 49 Jahren
Nicht nur Joanna starb jung. Obdachlose in Hamburg werden in der Regel nur 49 Jahre alt. Diese Zahl hat Nina Asseln für ihre Doktorarbeit errechnet. Grundlage sind Daten von 263 Obdach- und Wohnungslosen, deren Leichname zwischen 2007 und 2015 im Institut für Rechtsmedizin untersucht wurden. Die jetzt vorliegenden Zahlen aus den Krankenhäuser spiegeln dieses Ergebnis wieder. Im Schnitt wurden die Menschen ohne festen Wohnsitz, die zwischen Oktober 2013 und August 2018 im Krankenhaus verstarben nur 50,7 Jahre alt. Wie dramatisch die Zahlen sind, zeigt ein Vergleich mit der durchschnittlichen Lebenserwartung in Deutschland: Die liegt bei Frauen bei 83,4 und bei Männern bei 78,4 Jahren.
Ende November hatten Hinz&Kunzt, Diakonie und Caritas die Stadt aufgefordert, Sofortmaßnahmen zur Hilfe der Obdachlosen auf der Straße zu ergreifen. Daraufhin teilte der Betreiber des Winternotprogramms mit, dass noch ausreichend Plätze vorhanden seien. Tatsächlich ist aktuell noch jedes vierte Bett in den Unterkünften frei.
Viele Obdachlose meiden das Winternotprogramm
Nach den Erfahrungen von Hinz&Kunzt meiden jedoch viele Obdachlose die Unterkünfte. Unter anderem deswegen, weil sie morgens wieder verlassen müssen. Zudem gibt viele osteuropäische Obdachlose, denen die Stadt Hamburg nicht einmal ein Bett in der kalten Jahreszeit anbietet. Sie werden in die Wärmestube Hinrichsenstraße verwiesen. Bereits Mitte November verbrachten 55 Obdachlose die Nächte dort nur mit Isomatten geschützt auf dem harten Boden. Diese abgewiesenen Obdachlosen haben nach Auffassung der Sozialbehörde kein Anrecht auf Hilfe, weil sie in der Heimat noch eine Unterkunft haben. Hinz&Kunzt fordert hingegen die Öffnung der Schlafstätten im Winter auch für diese Obdachlosen und macht sich darüber hinaus seit Jahren für eine Tagesöffnung der Unterkünfte stark.
Kältebus als Lösung?
Eine zweite Sofortmaßnahme, die Hinz&Kunzt, Caritas und Diakonie einfordern, könnte ein Kältebus sein, wie es ihn etwa in Berlin gibt. „Entweder fährt der Bus Obdachlose in eine Unterkunft, oder sie bekommen wenigstens einen Schlafsack ausgehändigt“, sagt Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. „Das würde Leben retten!“ Könnte ein Kältebus auch aus Sicht des Senats eine Lösung sein? Der Vorschlag stieß offenbar nicht nur auf Ablehnung. Auf Nachfrage der Linksfraktion teilen die Verantwortlichen immerhin mit: „Hierzu sind die Überlegungen und die Meinungsbildung des Senats noch nicht abgeschlossen.“