Das Wetter macht Hamburgs Obdachlosen zu schaffen: Mediziner melden schwere Sonnenbrände und entzündete Wunden. Zwei Tagesaufenthaltsstätten mit Duschen sind ausgerechnet jetzt geschlossen.
Egal ob Winter oder Sommer, Obdachlose sind jedem Wetter schutzlos ausgeliefert. „Die Hitze ist scheiße“, sagt Bonnie. Die Hinz&Künztlerin leidet unter Diabetes und hat daher gerade mit massiven Kreislaufproblemen zu kämpfen. „Viel Trinken ist wichtig“, sagt Bonnie, die mit ihrem Freund Clyde nachts vor einem Geschäft in der Mönckebergstraße nächtigt. „Wir schlafen spät ein und tagsüber sind wir hundemüde.“
Sich allerdings bei der Hitze zum Schlafen irgendwo in den Schatten zu legen, ist gefährlich. Wenn die Sonne dann weiterwandert, liegt man plötzlich in der Sonne. Wer betrunken ist, der bekommt das nicht mehr mit, sagt Annette Antkowiak. Für die Leiterin des Krankenmobils der Caritas waren die vergangenen Tage eine spezielle Herausforderung: „Wir mussten Verbrennungen bei den Obdachlosen behandeln“, sagt Antkowiak, die die Obdachlosen teilweise einfach auch nur mit Wasser versorgt hat. „In der Innenstadt gibt es zu wenige öffentliche Wasserstellen“, beklagt Antkowiak. Die Gefahr zu Dehydrieren sei deshalb groß. „Ich halte die mangelnde Wasserversorgung für ein großes Problem.“
Mangelnde Wasserversorgung, kein kühles Zuhause
Hier gibt es in Hamburg kostenloses Trinkwasser
Einen regelrechten Ansturm auf ihr Hilfsangebot meldet das Gesundheitsmobil der Johanniter. „Wir haben am Sonntag mehr als doppelt so viele Patienten gesehen, wie sonst“, sagt der medizinische Koordinator Ronald Kelm. 50 statt wie sonst üblich 20 obdachlose Patienten seien von drei Ärzten behandelt worden. Eines der größten Probleme seien schmutzige und entzündete Wunden gewesen, die versorgt wurden. „Bei der Hitze sind Wunden ein Schlaraffenland für Keime“, sagt Kelm. Den ehrenamtlichen Medizinern ging fast das gespendete Verbandsmaterial aus: „Das hat auch uns an die Grenze gebracht“, berichtet der Koordinator.
Tagesaufenthaltsstätten bleiben geschlossen
Ausgerechnet während der heißesten Tage haben gleich zwei der wenigen Anlaufstellen für Obdachlose unerwartet geschlossen. In der Tagesaufenthaltsstätte TAS der Diakonie können sich Obdachlose eigentlich duschen und ausruhen – doch wegen Krankheitsfällen in der Belegschaft ist das vom 1. bis 15. August nicht möglich. Eine weitere Hiobsbotschaft kommt aus dem Herz As: Ein Wasserrohrbruch flutete Anfang August das Erdgeschoss. „Der reguläre Betrieb ist auf Wochen nicht möglich“, sagt Eva Lindemann vom kirchlichen Betreiber Hoffnungsorte Hamburg. Zwar könnten Beratungsgespräche im ersten Stock stattfinden, doch Essensausgabe und Duschen seien bis auf Weiteres geschlossen – obwohl es ohnehin schon viel zu wenig Duschen für Obdachlosen gibt.
Private Hilfsorganisationen wie die Bergedorfer Engel versuchen, die Lücke zu schließen. Mit ihren Transportern vollgepackt mit Sachspenden sind sie mehrmals pro Woche auf Hamburgs Straßen unterwegs. Dieser Tage gefragt wie selten: Wasser! Am Mittwoch verteilten die Helfer binnen nur einer Stunde ganze 140 Liter Trinkwasser vor dem Drob Inn in St. Georg. Am Sonntag seien es auf der Reeperbahn etwa 100 Liter gewesen, berichtet Thorsten Basso von der Initiative. Auch gespendetes Obst und Vitamintabletten geben die Helfer aus. Dazu würden Unterwäsche, Socken und T-Shirts zum Wechseln verteilt: „Das ist genauso wichtig wie Schlafsäcke im Winter“, sagt Basso.
Hinz&Künztler Spinne pflichtet dem bei. Der ehemalige Obdachlose erinnert sich gut an heiße Sommer auf der Straße: „Shirt und Hose kleben an dir und es gibt keine Möglichkeit, dich mal zuhause abzukühlen“, sagt er. Im Winter sei er vor der Kälte manchmal in die Bibliothek geflohen. „Aber bei der Hitze hältst du es da ja auch nicht mehr aus.“