Während auf dem Mittelmeer hunderte Migranten ertrinken, halten die Behörden Organisationen wie die Sea Watch von ihren Rettungsmissionen ab: Schiffe dürfen nicht auslaufen, ein Flugzeug nicht starten.
Sie wollen Menschen vor dem Ertrinken im Mittelmeer retten, sind dafür auch bestens ausgerüstet und in der Lage, zu Wasser und aus der Luft zu helfen. Doch sie dürfen nicht: Nachdem das Rettungsschiff Sea Watch 3 den Hafen nicht mehr verlassen darf, wird auch dem Rettungsflugzeug Moonbird von den Maltesischen Behörden keine Starterlaubnis mehr erteilt. Das gab die zivile Seenotrettungsorganisation Sea Watch am Mittwoch bekannt.
„Den politisch Verantwortlichen sollte klar sein, was dieses Flugverbot bedeutet: Die Menschen auf den Booten werden nicht gerettet, sondern ertrinken ungesehen”, sagt der Pilot Fabio Zgraggen. Er ist Gründer der Schweizer Humanen Piloteninitiative, die das Flugzeug zusammen mit Sea Watch und mit Unterstützung der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) betreibt.
Mehr als ein Jahr lang hätte die Moonbird fast täglich von Malta aus operiert und mit maltesischen und italienischen Behörden kooperiert. „Rund 1000 Menschen wären im letzten Jahr gestorben, hätten wir sie nicht in letzter Sekunde gefunden und die Behörden informiert“, sagt Zgraggen.
EKD spricht von „Skandal“
Scharfe Kritik am Flugverbot äußert auch die EKD. Es würden nicht weniger Menschen sterben, nur weil es keine Bilder und Berichte mehr davon gebe, sagt Manfred Rekowski, leitender Geistlicher der Evangelischen Kirche im Rheinland und Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der EKD. „Solch ein politisches Vorgehen gegen Menschenrechtsorganisationen, willkürliche Verbote oder Beschlagnahmungen kennen wir sonst nur aus anderen Teilen dieser Welt. Mitten in Europa, im Rechtsraum der Europäischen Union, ist das ein Skandal.“
„Jeder weitere Tod auf See geht auf das Konto derjenigen, die die Rettung verhindern.”– Kapitänin Pia Klemp
Bereits seit Sonntag wird auch das See Watch 3 am Auslaufen gehindert. Die offizielle Begründung der Behörden: Das Schiff solle kontrolliert werden. Aber auch das deutsche Rettungsschiff „Lifeline“ darf den maltesischen Hafen seit einer Woche nicht verlassen. Die Sea-Watch-Crew spricht deswegen von einer „politischen Offensive zur Beendigung der zivilen Rettung auf See“: „Während wir daran gehindert werden, den Hafen zu verlassen, ertrinken Menschen, das ist absolut inakzeptabel“, sagt Kapitänin Pia Klemp. „Jeder weitere Tod auf See geht auf das Konto derjenigen, die die Rettung verhindern.“
483 Tote in zwei Wochen
Die Konsequenzen des Vorgehens gegen die Retter sind bereits jetzt dramatisch: In den zwei Wochen seit dem 19. Juni seien allein auf der Hauptroute nach Italien 483 Migranten ums Leben gekommen, twitterte der Sprecher der UN-Migrationsorganisation IOM, Flavio Di Giacomo. Es müssten dringend wieder Rettungsschiffe im Mittelmeer präsent sein, um weitere Tote zu verhindern.
483 #migrants have died in the central Mediterranean route since 19 June.
It is necessary to reinforce the presence of rescue ships in the Med in order to avoid further loss of life.— Flavio Di Giacomo (@fladig) July 3, 2018