24 Jahre lang verkauften Berliner Obdachlose den „Strassenfeger“. Jetzt ist Schluss: Das Straßenmagazin wurde Anfang dieser Woche „temporär“ eingestellt. Besiegelt wurde auch das Ende des Obdachlosen-Treffs Kaffee Bankrott, wie der Vorstand mitteilt.
Traurige Nachricht für Obdachlose in Berlin: Die Mitgliederversammlung des Trägervereins hat am Montag „aufgrund der wirtschaftlichen und personellen Situation“ die vorläufige Schließung der Projekte „Strassenfeger“ und Kaffee Bankrott beschlossen.
In einer jetzt veröffentlichten Stellungnahme teilt der aktuelle Vorstand mit, dass für das Ende beider Projekte neben der finanziellen Situation offenbar auch interne Probleme ausschlaggebend waren. Er beklagt nicht nur eine sinkende Auflage, sondern kritisiert auch die eigenen Vertriebsstrukturen.
Die Redaktion wurde von der Entscheidung überrascht
Laut dem ehemaligen Vorstandsmitglied Philipp Mehne wären Veränderungen im Vertrieb zwar nötig, aber auch möglich gewesen. „Ich halte die Einstellung der Zeitung für eine Fehlentscheidung“, sagt er gegenüber Hinz&Kunzt. Bis zu seinem Ausscheiden im Mai dieses Jahres hatte er die ersten Ausgaben diesen Jahres verantwortet. „Der Strassenfeger wäre zu retten gewesen.“ Man habe sich um neue Anzeigenkunden bemüht und sogar erste Erfolge verzeichnet. „Was mich überrascht ist, warum man nicht einmal einen Versuch unternimmt.“
Ich halte die Einstellung der Zeitung für eine Fehlentscheidung– Philipp Mehne, ehemaliger Vorstand
Der Vorstand setzt aber offenbar andere Prioritäten: In den Räumen des Obdachlosentreffs Kaffee Bankrott sollen jetzt Notschlafplätze für Familien entstehen. Ermöglicht wird diese Umnutzung durch die finanzielle Unterstützung der Senatsverwaltung, der dafür zusätzliche Mittel bereithält.
Die Schließung soll nur temporär sein
Die Schließung des Obdachlosen-Treffs und die Einstellung der Zeitung diene der Konsolidierung, teilt der Vorstand mit. Für beide Projekte „planen wir langfristig einen Weiterbetrieb“. Wie es derweil für die Verkäufer weitergeht, ist ungewiss. Bei der zweiten Berliner Straßenzeitung „motz“ gibt man sich gelassen. Man rechne mit keinem großen Andrang, da es in der Vergangenheit bereits viele Verkäufer gegeben habe, die mal die motz, mal den Strassenfeger verkauft hätten.
Wir stehen bereit, den uns am Herzen liegenden „Strassenfeger“ zu erhalten– Karuna Sozialgenossenschaft
Wie es für die Beschäftigten weitergeht ist nicht bekannt. Der aktuelle Vorstand des Straßenfegers war für weitere Nachfragen nicht zu erreichen. Via Facebook teilen sie lediglich mit: „Es gibt viele Unterstützungsangebote und wir werden davon gerade überwältigt. Alle ernst gemeinten Angebote werden wir sondieren und sobald es uns zeitlich möglich ist, auf Euch zurückkommen.“
Ein weiterer Hoffnungsschimmer: Die gemeinnützige Karuna Sozialgenossenschaft, die Straßenkindern in Berlin hilft, steht bereit, um „den Strassenfeger als Zeitung und als Arbeitsplatz für so viele Obdachlose Berlins zu retten und auszubauen“.