Mit einer Zusatzsteuer für Großkonzerne wollte die US-amerikanische Stadt Seattle gegen Obdachlosigkeit vorgehen. Jetzt hat der Stadtrat seine Entscheidung wieder revidiert – offenbar auf Druck von Amazon.
Es war eine ungewöhnliche Meldung, die Mitte Mai in den sozialen Netzwerken die Runde machte: „Amazon soll für Obdachlose zahlen“. In Seattle, der größten Stadt im Nordwesten der Vereinigten Nationen, wollte man mit einer speziellen Unternehmenssteuer gezielt gegen Obdachlosigkeit vorgehen. Künftig sollten in Seattle ansässige Großkonzerne jährlich 275 Dollar pro Vollzeitangestellten zahlen.
„Tausende leben ungeschützt und außerhalb unseres Systems“, begründete Bürgermeisterin Jenny Durkan (Demokratische Partei) die Entscheidung. Vor allem Drogen sind unter den Obdachlosen ein großes Problem. „Alle drei Tage stirbt jemand ohne Zuhause in dieser Stadt. Wir müssen handeln, um die Menschen von den Straßen in sichere Orte und stabile Lebenslagen zu bringen.“ Doch bislang fehlte der Kommune das Geld für den Bau neuer Unterkünfte.
Für Amazon ist das ein Taschengeld– Kshama Sawant
Mit dem jetzt im Mai verabschiedeten Gesetz kam der Stadtrat einer Bürgerinitiative entgegen. Mit einer groß angelegten Kampagne hatte sie für die Zusatzsteuer geworben. „Große Unternehmen können es sich leisten zu zahlen“, sagt Ratsmitglied Kshama Sawant (Sozialistische Alternative). Insgesamt rund 50 Millionen Dollar erhoffte sich die Stadtverwaltung von der so genannten „Amazon-Steuer“. Mit mehr als 40.000 Angestellten ist Amazon der größte Arbeitgeber der Stadt und wäre am stärksten von der neuen Steuer betroffen gewesen. „Für Amazon ist das ein Taschengeld“, sagt Sawant.
Doch wenig überraschend lief das Milliardenunternehmen, das seinen Hauptsitz in Seattle hat, gegen die Verordnung Sturm und erließ umgehend einen Baustopp für einen Büroturm in der Stadt. An dem Projekt hingen laut Spiegel Online 7000 neue Jobs.
„Amazon-Steuer“ nach einem Monat wieder abgeschafft
Eine Art der Erpressung, die offenbar Wirkung zeigte. Anfang dieser Woche wurde die „Amazon-Steuer“ abgeschafft. „Als gewählter Vertreter Seattles bin ich zutiefst enttäuscht“, räumt Ratsmitglied Lorena González von den Demokraten ein. Die Unternehmen hätten Angst geschürt und das Thema Obdachlosigkeit polarisiert und damit einen Keil zwischen die Bewohner der Stadt getrieben. Aber die Stadt müsse dringend zusätzliche Einnahmen generieren, um der Obdachlosigkeit zu begegnen. Das noch Ende Mai von Bürgermeisterin Durkan verkündete Ziel, die Zahl der Notschlafplätze in den kommenden 90 Tagen um 25 Prozent anzuheben, dürfte jetzt aber nicht mehr zu bewerkstelligen sein.