Singer-Songwriter Gisbert zu Knyphausen zweifelt an Fanartikeln, flucht übers Traurigsein und ignoriert seine adelige Herkunft.
(aus Hinz&Kunzt 207/Mai 2010)
Das findet er komisch, dass es T-Shirts gibt mit seiner Silhouette und seinem Namen drauf. Und Buttons. Und Mario, sein Booker, verkauft die dann beim Konzert. Da gibt es einen Merchandising-Stand. Gisbert zu Knyphausen kichert über Gisbert-zu-Knyphausen-Merchandise-Artikel. Das war nicht seine Idee. „Am Anfang wollte ich das gar nicht.“ Aber es gab Fans, die es forderten. Zur jetzt anstehenden Tour des 31-Jährigen soll es sogar neue Motive geben. Doch der ist skeptisch. Kult um seine Person ist ihm unheimlich.
Vor ein paar Jahren wusste er selbst noch nicht, dass er zum Hauptberufs-Musiker taugt. Das ging ihm erst auf, als er 2006 an der Hamburger Musikhochschule in den „Popkurs“ aufgenommen wurde, da hat er den Dozenten und den anderen nämlich irgendwie gut gefallen. „Wenn selbst die das toll finden, dann ist es vielleicht gar nicht so doof, was ich da mache oder so?“ Gisbert zu Knyphausen machte Ernst mit seiner Musik. Er schrieb mehr Songs, intensive deutsche Texte übers Lieben und Hassen, übers Fallen und Aufstehen, über die Welt im Allgemeinen und im Besonderen, und mitreißende Melodien dazu. Gisbert zu Knyphausen singt mal flüsterleise, mal dröhnendlaut. Gänsehaut-Potenzial haben die meisten Stücke – ob er sie allein mit seiner Gitarre vorträgt oder mit kompletter Band inszeniert.
Die Pop-Workshops in Hamburg – die zum Beispiel auch schon Judith Holofernes von „Wir sind Helden“ und Peter Fox mitgemacht haben – sollten eigentlich der Beginn einer kleinen Auszeit für Gisbert zu Knyphausen sein. Mal eine Weile weg von der Uni, ein bisschen Musik machen mit netten Leuten in Hamburg, und dann fertig studieren, Musiktherapie in Nijmegen in den Niederlanden.
Das war vor vier Jahren. Zurück an die Uni schaffte er es bisher – „leider“ – nicht, dafür hat er mittlerweile zwei Alben veröffentlicht. Von Ende April bis Ende Mai spielt er 22 Konzerte in ganz Deutschland. Es gibt diese T-Shirts, und Gisbert zu Knyphausen und Band live zu hören kostet zwölf Euro Eintritt. Das, findet der Sänger, geht gerade noch so. „Wenn man für meine Konzerte 40 Euro oder so bezahlen müsste, fände ich das eine Unverschämtheit, da würde ich selbst nicht hingehen. Es soll sich jeder, der die Musik mag, leisten können, zu kommen. Wobei es ja Leute gibt, die können sich auch zwölf Euro nicht leisten. So konsequent sind wir dann irgendwie auch nicht.“ Geldsorgen kennt er selbst nicht. „Das ist natürlich ein Privileg“, sagt er. „Meine Eltern haben mich während des Studiums finanziell unterstützt.“ Als Gisbert zu Knyphausen nach Hamburg zog, hielt er sich mit Kneipenjobs, „kellnern und hinter der Bar stehen“, über Wasser. Seit einem Jahr kann er von seiner Musik leben.
Gisbert zu Knyphausen schreibt Lieder und singt sie auch selbst. Das ist sehr authentisch, vor allem mit Gitarre und weil „Scheiße“ vorkommt.
„Wenn mich etwas ärgert, schimpfe ich eben rum mit solchen Ausdrücken. Deswegen haben die auch Platz in meinen Liedern.“ Eine bestimmte Zeile fand er mal „grenzwertig“, aber die war zu wichtig und hat so gut gepasst und „reimt sich auch so schön“. Es wäre blöd gewesen, den Satz „Fick dich ins Knie, Melancholie!“ zu zensieren. Aus dem Satz wurde die erste Single-Auskopplung aus dem neuen Knyphausen-Album „Hurra! Hurra! So nicht!“.
Das Stück mit dem Titel „Melancholie“ ist ein „Hass-Liebes-Lied“ über das Sich-leer-Fühlen, obwohl das Leben übervoll ist mit allem Möglichen. Über die Einsamkeit in einer kleinen Eimsbütteler Wohnung nach wochenlangem Touren durch Clubs. Über die Traurigkeit, wenn es nichts zu betrauern gibt. Eine Ode an die Melancholie.
Die, jubeln seine Fans, wurde von Gisbert zu Knyphausen wieder salonfähig gemacht. Man darf zugeben, dass man traurig ist und manchmal alles sinnlos findet. Und dazu hört man seine Lieder, zum Beispiel „Verschwende deine Zeit“, wo es heißt: „So ist das Leben. Es tobt und faucht und schreit und haut dir eine rein. Und du lachst und weinst und trinkst und kackst und schläfst. Und schon ist es vorbei.“
Irgendwie, stimmt der Künstler zu, sei diese Melancholie schon ein Motor. Dieses aufdringliche, nervige, schwer verständliche Gefühl sorge „oft dafür, dass man sich alles von der Seele schreiben will und sich an den Computer oder ans Notizheftchen oder an die Gitarre setzt und den Frust niederschreibt und ein bisschen spielt. Das kommt aus Momenten, wo es einem nicht so gut geht. Oder aus denen danach, wenn man das verarbeitet hat.“ Wozu Gisbert zu Knyphausen sich aber nicht hinreißen lassen wird, ist so etwas zu sagen wie: Gut, dass ich diese Traurigkeit habe, sonst wäre ich nicht der Künstler, der ich bin. „Lieber ist mir, mir geht’s super, und ich schreibe halt keine Lieder mehr.“
Objektiv gesehen sei bei ihm alles super – und deswegen ärgert Gisbert zu Knyphausen sich wirklich sehr über seine Traurigkeit. „Ich bin behütet aufgewachsen“, sagt er, von Tragödien weiß der Adelsspross nicht zu berichten. Sogar sein einwandfrei zum Künstlerpseudonym taugender Vor- und Zuname wurde ihm in die Wiege gelegt. Vollständig heißt er Gisbert Enno Wilhelm Freiherr zu Innhausen und Knyphausen, seine Mutter nennt ihn Gisi, manche Freunde sagen Knypsi, und er gehört zu einer Familie, deren Stammbaum sich bis ins Jahr 1350 zurückverfolgen lässt.
Er wurde auf dem Gutshof seiner Eltern im hessischen Rheingau groß. „Ein Schloss ist das nicht direkt, aber es geht so in die Richtung.“ Hier fing es für den kleinen Gisbert mit der Musik an: „Meine Mutter hat meine Geschwister und mich alle zum Klavierunterricht geschickt, wie sich das gehört.“ Damit hörte er wieder auf, spielte ein bisschen Trompete, hörte damit auch auf und lernte Gitarre spielen. Im Großen und Ganzen sei zu Hause alles so gewesen wie bei den anderen Kindern, keine besondere Etikette, keine Rede von „Adel verpflichtet“, nur dass die Familientreffen meist auf unterschiedlichen Burgen stattfinden, das, gibt er zu, sei natürlich schon etwas Besonderes.
So wenig Gisbert zu Knyphausen zu einem „Adelsstand-Denken“ fähig ist, so wenig kann er mit dem anfangen, was er „Lokalpatriotismus“ nennt.
Er gilt als Hamburger Newcomer und findet das gar nicht so gut. Er freut sich schon über den Stolz der hansestädtischen Musikszene auf ihren Pop-Poet, Liedermacher, Singer-Songwriter, wie auch immer, er findet Hamburg toll. Nur vereinnahmen lassen will er sich nicht: „Ich find’s komisch, wenn Leute sagen: Du bist unser Mann.“
Ist es Trotz, dass er ausgerechnet dann Umzugspläne schmiedet, wenn seine neue Platte erscheint, auf der er so viel über Hamburg singt? Nö. „Ich habe einfach Bock umzuziehen.“ Ausgerechnet nach Berlin will er. „Ich weiß, das ist das, was man hier gar nicht sagen darf.“ Vielleicht hofft er, dass er in der Hauptstadt nicht so auffällt
Hurra! Hurra! So nicht. Gisbert zu Knyphausens neues Album ist seit Ende April im Handel erhältlich.
Mehr Informationen über den Musiker und Konzerttermine im Internet unter www.myspace.com/gisbertzuknyphausen
Text: Beatrice Blank
Foto: Benne Ochs