Das Winternotprogramm für Obdachlose in Hamburg ist zu Ende. Bis zu 750 Obdachlose gehen wieder zurück auf die Straße.
Endlich frühlingshafte Temperaturen in Hamburg! Darüber freuten sich viele Hamburger an den Osterfeiertagen. Für viele Obdachlose nur bedingt ein Grund zur Freude, denn für sie geht es jetzt zurück auf die Straße, nachdem die Stadt Hamburg am Morgen des 3. Aprils die Türen zum Winternotprogramm verriegelt hat.
Bis zu 750 Menschen, die in den vergangenen fünf Monaten in den Notunterkünften der Stadt und Wohncontainern der Kirchengemeinden unterkamen, leben nun wieder auf der Straße. Vor allem die Kirchencontainer sind beliebt: Die Obdachlosen, die dort nächtigen, bekommen einen Schlüssel und können kommen und gehen wann sie wollen. So wie Hinz&Künztler Ference: Der Ungar wirkt gut erholt, als er morgens zum Zeitungskauf den Hinz&Kunzt-Vertrieb betritt. Denn er hat Glück: Ference muss nicht zurück auf die Straße, erzählt er stolz. In einem Privatkeller kann er die kommenden Monate nachts Schutz suchen.
Von einem Schlafplatz im Keller kann Asen nur träumen. Der junge Bulgare verbrachte den Winter mit seiner Freundin Ewa in der Großunterkunft Friesenstraße, die nur nachts geöffnet war. Als Straßenmusiker und Pfandsammler schlägt er sich so gut es geht durch. „Ich finde keine Wohnung und ein Hotel kann ich mir nicht leisten“, sagt Asen.
Schließfächer unter Obdachlosen heiß begehrt
Das Pärchen wird draußen schlafen. Wo? Asen zuckt mit den Schultern. Heute beschäftigt ihn etwas ganz anderes: Er will wenigstens sein Gepäck im Stützpunkt im City-Hof einlagern. Es gibt gerade einmal 24 Schließfächer in der Einrichtung der Caritas. Sie sind heiß begehrt.
Die Hinz&Künztler Bonny und Clyde haben dort zwar ein Schließfach, schaffen es mit ihrem ganzen Gepäck aber nicht rechtzeitig bis in den Stützpunkt, der um 9 Uhr schließt. Mit zahlreichen Taschen, Rucksäcken und einem Koffer bepackt ziehen sie vom Winternotprogramm zur S-Bahn-Station Hammerbrook, um von dort in die Innenstadt zu fahren. Mehrmals müssen sie auf den paar hundert Metern Pause machen.
Den Tag über lagern sie ihren ganzen Besitz bei Hinz&Kunzt. Die Nacht werden sie wie vor dem Winter vor einem Geschäft in der Mönckebergstraße verbringen. „Wir wollen ja weg von der Straße“, sagt Clyde, dem die rechte Schulter und das linke Knie schmerzen. „Aber uns haben sie gar nicht gefragt, ob wir in eine Wohnunterkunft umziehen wollen.“
157 Obdachlose ziehen in Wohnunterkunft um
Unterkunftsbetreiber fördern & wohnen sagt, die beiden hätten angebotene Beratungsgespräche abgelehnt. Es gibt auch Obdachlose, die aus dem Winternotprogramm zumindest den Weg in eine dauerhafte städtische Unterkunft fanden. Insgesamt 157, teilt die Sozialbehörde mit. Nicht ganz so viele wie im Vorjahr, als 162 Obdachlose vermittelt wurden.
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Weitere InformationenAnspruch auf einen Platz in einer Wohnunterkunft hätten allerdings auch nur Obdachlose mit deutscher Staatsbürgerschaft und EU-Bürger, die in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren oder sind, teilt die Sozialbehörde mit. Aber auch diejenigen, die Anspruch hätten, erhielten nicht alle einen Platz in einem Wohnheim. 74 Obdachlose müssen weiter warten. Sie zogen am 3. April von den Notunterkünften in die Obdachlosenherberge Pik As.
Darüber hinaus gibt viele Obdachlose auf Hamburgs Straße, die die Kriterien der Sozialbehörde nicht erfüllen. Früher durften auch sie im Winter die Notschlafstätten nutzen. Seit Dezember 2017 erhalten sie allerdings kein Bett mehr im Winternotprogramm. Sie dürfen höchstens die Nacht in einer Wärmestube verbringen. Mitte März lag die höchste Zahl von Übernachtenden bei 48 Menschen in der Einrichtung in der Hinrichsenstraße.
365 Obdachlose von den Schlafstätten abgewiesen
Es handelt sich meist um osteuropäische Obdachlose, die in ihrem Herkunftsland noch eine Bleibe haben. Nach Vorstellung der Sozialbehörde sollen sie in ihre Heimat zurückkehren, weil sie in Hamburg keine Perspektive haben. Und der Unterkunftsbetreiber fördern und wohnen greift durch: Insgesamt 365 Menschen wurden in diesem Winter an den Türen der Notunterkünfte abgewiesen. Egal wie kalt oder nass es war.
Deswegen war die Hilfsbereitschaft der Hamburger in diesem Winter umso beeindruckender. Als im März die Kältewelle nach Hamburg kam, richteten der Boxverein Hamburg Giants und der FC St. Pauli ein zusätzliches Hilfsangebot für die Bedürftigen ein. Auch von Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) kommen zum Ende des Winters lobende Worte: „Mein Dank gilt auch den zahlreichen ehrenamtlichen Initiativen und Projekten, die sich im Winter für Obdachlose engagiert haben.“
Artikel wurde am 4. April aktualisiert