Die Bahn zeigte den Bettler David an, weil er auf einem ihrer Grundstücke geschlafen hatte. Viele Leser empörte das, sie boten ihm Hilfe an. Ein weiterer Obdachloser muss 450 Euro Strafe zahlen.
Dass der obdachlose Bettler David 450 Euro Strafe dafür bezahlen soll, dass er im vergangenen Mai eine Nacht auf einem Grundstück der Bahn geschlafen hatte, hat bei unseren Lesern eine Welle der Empörung ausgelöst.
„Einfach nur beschämend, wenn Leute gleich Herz und Verstand ausschalten“, schrieb etwa der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, als Reaktion auf unseren Bericht aus der Februar-Ausgabe bei Twitter. Dass die Bahn Strafanzeige gegen David gestellt hatte, sorgte für viel Unverständnis. Der Moderator Tobias Schlegel twitterte verdattert: „Ernsthaft????“ Hashtag: #shameonyou.
Ernsthaft, @DB_Bahn ???? #shameonyou https://t.co/vY4yN1bl4K
— Tobias Schlegl (@TobiSchlegl) 1. Februar 2018
Es war der volle Ernst der Bahn: Gegen 28 Obdachlose, die in der Nähe der Bahngleise an der Amsinckstraße ein Lager errichtet hatten, erstattete sie nach monatelanger Duldung im vergangenen Jahr Anzeige wegen Hausfriedensbruch. Ein Sprecher bestritt das auf Hinz&Kunzt-Nachfrage zunächst, räumte die Strafanzeigen aber ein, nachdem wir bei der Bundespolizei nachgefragt hatten. Die Obdachlosen seien vorab gewarnt worden, rechtfertigte er das Vorgehen.
Davids Anwältin geht gegen den Strafbefehl vor
Inzwischen hat uns die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, was aus den anderen Verfahren geworden ist: Die meisten wurden eingestellt – viele wegen „Abwesenheit des Beschuldigten“ zunächst vorläufig. In einem Fall musste ein Obdachloser 450 Euro Strafe zahlen, auch hier legte das Gericht einen relativ hohen Tagessatz von 15 Euro fest. Ein weiterer Fall liegt noch beim Amtsgericht Harburg, dort wird es wahrscheinlich zu einem Prozess kommen.
Vor kurzem die Flaschensammlerin, die von der Bahn angezeigt wurde, und jetzt das. Einfach nur beschämend, wenn Leute gleich Herz und Verstand ausschalten. https://t.co/08eWs6Oywj
— Ulrich Schneider (@UlrichSchneider) 1. Februar 2018
David wird die Strafe nicht selbst bezahlen müssen. Denn unsere Leser waren nicht nur empört über das Vorgehen der Bahn, sie waren auch äußerst hilfsbereit: Zahlreiche Angebote gingen bei uns ein, einen Teil der Strafe oder sie sogar komplett zu übernehmen – Hinz&Kunzt sammelt diese.
Vielleicht wird dies aber gar nicht nötig sein: Davids Rechtsanwältin geht derzeit bei Gericht gegen den Strafbefehl vor.