Weil sie auf einem Grundstück der Deutschen Bahn ein Lager errichtet hatten, sollen 28 Obdachlose nun Strafen bezahlen, berichtet Hinz&Kunzt in seiner Februar-Ausgabe. Die Bahn stellte Anzeige wegen Hausfriedensbruchs.
Für David war das eine teure Nacht. Ein Freund habe ihn im vergangenen Mai mit in das Lager an der Amsinckstraße genommen, wo zu diesem Zeitpunkt schon seit Monaten etwa 30 Obdachlose in Zelten und Hütten gelebt hatten, sagt er im Gespräch mit Hinz&Kunzt. Am frühen Morgen kamen dann Mitarbeiter der Bahn, der das Grundstück an der Gleisanlage gehört, und räumten das Lager mit Unterstützung der Polizei. „Ich wusste gar nicht, was das Ganze soll“, sagt David. Danach habe er sich einen anderen Schlafplatz in Hamburg gesucht und nicht mehr an den Vorfall gedacht.
Bis zum vergangenen November, als ihm ein Brief eines Hamburger Amtsgerichts erreicht. Das hatte ihn an seine Frau in Rumänien geschickt. Weil David nicht lesen kann, versteht er nicht, was darin steht. Er glaubt, es geht um Schwarzfahren und will die Rechnung bei der S-Bahn begleichen. Erst die Mitarbeiter dort machen ihm klar, dass er einen Strafbefehl wegen Hausfriedensbruchs bekommen hat. 450 Euro soll er bezahlen, 30 Tagessätze.
28 Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruchs
Die Deutsche Bahn bestreitet zunächst auf Anfrage von Hinz&Kunzt, Strafanzeigen gegen die Obdachlosen gestellt zu haben.
Erst Staatsanwaltschaft und Bundespolizei klären auf: Doch, die Bahn hat am 9. August gegen 28 Obdachlose Strafanzeigen gestellt. Auf erneute Nachfrage räumt das auch ihr Sprecher Egbert Meyer-Lovis ein. „Es gab im Vorwege mehrmals schriftliche Aufforderungen – in verschiedenen Sprachen – das Gelände zu räumen“, rechtfertigt er das Vorgehen. Von den Aufforderungen habe er nichts gewusst, bekräftigt David, schließlich habe er nur eine Nacht auf dem Bahn-Gelände geschlafen. Trotzdem soll er nun eine Strafe bezahlen.
15 Euro Tagessatz für einen Bettler
Das Gericht hat einen Tagessatz von 15 Euro zur Bemessung der Strafe angesetzt. Für einen Bettler ganz schön viel, findet auch Davids Rechtsanwältin, die nun gegen den Strafbefehl vorgeht. Wie genau der Richter auf die Höhe des Tagessatzes kam, ohne mit David über seine Situation zu sprechen, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.
Doch ein Gerichtssprecher sagt, dass etwa bei Sozialhilfeempfängern häufig Tagessätze zwischen 5 und 12 Euro verhängt werden, also deutlich weniger als bei David. „Die Einkünfte aus der Bettelei werden auch berücksichtigt“, erklärt Nana Frombach, Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Im Zweifelsfall würden die geschätzt. „Wir wissen, dass sie teilweise erhebliche Einkünfte haben.“
„Wie soll ich das bezahlen?“– David
David kann das nicht nachvollziehen. Von seinen geringen Einkünften durch Betteln und dem Verkauf der Zeitung Straßenjournal müsse er seine Frau und seine beiden Kinder in Rumänien ernähren, sagt er. „Wie soll ich das bezahlen?“