Mehr Sozialwohnungen, mehr Geld, Zwangsräumungen aussetzen: In Berlin haben sich erstmals Vertreter von Politik und Hilfsorganisationen an einen Tisch gesetzt, um gemeinsam die Wohnungslosigkeit in der Stadt zu bekämpfen.
Das gab es vorher noch nie: Am Mittwoch trafen sich auf Einladung von Berlins Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) rund 200 Vertreter von Senat, Sozialorganisationen, Wohnungslosenhilfe und Bezirken.
Bei der 1. Strategiekonferenz zur Wohnungslosigkeit und -politik besprachen sie Maßnahmen, mit denen man der wachsenden Zahl von Menschen ohne Obdach begegnen kann. Das erklärte Ziel: Wohnungslosigkeit bekämpfen – gemeinsam.
Das ist auch dringend nötig, denn: Die Zahl der Wohnungslosen, die in Not- und Gemeinschaftsunterkünften leben, ist innerhalb eines Jahres auf mehr als 30.000 gestiegen – eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr. Zuletzt sorgten Obdachlosen-Camps im Tiergarten für Schlagzeilen.
„Menschen gehören in Wohnungen nicht in Unterbringungen!“ Eine der Forderungen der Wohlfahrtsverbände auf der Pressekonferenz zur 1. #Berliner #Strategiekonferenz zur #Wohnungslosenpolitik pic.twitter.com/UqNILFwenL
— Paritätischer Berlin (@ParitaetBerlin) 10. Januar 2018
„Historischer Fortschritt“
Ulrike Kostka, Direktorin des Berliner Caritas-Verbandes, sprach nach der Konferenz von einem „historischen Fortschritt“ in der Bekämpfung der Wohnungslosigkeit. Es gebe hier einen gemeinsamen Willen, das habe sie noch nicht erlebt in Berlin, zitiert rbb24 Kostka.
„Jeder Obdachlose in der Stadt, egal aus welchem Land er kommt, egal, welchen Status er hat, soll eine feste Unterkunft bekommen, nach Möglichkeit natürlich eine klassische Wohnung“, zitiert der „Tagesspiegel“ Kostkas Wunsch.
Dass bedeute jedoch nicht, dass Berlin nun sofort massenhaft Unterkünfte für Obdachlose baue, rudert die Sprecherin der Sozialsenatorin, Regine Kneiding, zurück, betont aber: „Jeder Mensch hat ein Recht auf ein Dach über dem Kopf“. Damit dieses „Langzeitziel“ (Kneiding) erreicht werde, arbeiten neun Arbeitsgruppen fortan konkrete Vorschläge aus.
Das sind die Ideen, mit denen Berlin Obdachlosigkeit bekämpfen will:
- Mehr Sozialwohnungen bauen
Der Senat will die städtischen Wohnungsbaugesellschaften stärker in die Pflicht nehmen, bezahlbaren Wohnraum anzubieten. „Es geht darum, Obdachlosigkeit zu verhindern“, so Kneiding.
- Mehr Geld für die Wohnungslosenhilfe bereit stellen
Der Senat will seine Ausgaben aus dem Topf „Integriertes Sozialprogramm“ auf 8,13 Millionen Euro verdoppeln. Konkret sollen damit als erste Maßnahme die Plätze in Notunterkünften für Frauen und Familien von derzeit 30 auf 100 erhöht werden.
- Flüchtlingsunterkünfte für Wohnungslose umnutzen
Derzeit leben noch 3400 Geflüchtete in Notunterkünften. Wenn diese nicht mehr gebracht werden, sollen dort auch Wohnungslose einziehen, plant Sozialsenatorin Breitenbach. Zudem sollen zusätzlich bis zu 450 Plätze in so genannten Modularen Unterkünften entstehen.
(Uk) Die AGs der #Strategiekonferenz waren fleissig.Viele Ideen + Willen, Lösungen für #wohnungslose Menschen in Berlin zu finden! Weiter so pic.twitter.com/IHvbzJsNbA
— Caritas Berlin (@CaritasBerlin) 10. Januar 2018
- Zwangsräumungen für bestimmte Gruppen aussetzen
Ein Vorschlag, auf den sich alle Konferenzteilnehmer geeinigt haben: Frauen und Kinder sowie ältere Menschen sollen nicht mehr zwangsgeräumt werden. Laut Arbeiterwohlfahrt sind 30 Prozent der Wohnungslosen in Berlin Frauen, viele davon haben Kinder.
- Mehr Sozialarbeiter einstellen
Die Stadt will der wachsenden Zahl der Obdachlosen mit mehr Sozialarbeitern begegnen. Obdachlose sollen mehr Waschmöglichkeiten bekommen. Für diese und andere Modellprojekte sollen zusätzlich 1,5 Millionen Euro fließen.
„Hoffnung für Hamburg“
„Berlin gibt der gesamten Wohnungslosenhilfe in Hamburg Hoffnung“ sagt Hinz&Kunz-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. Die Vorschläge der Konferenzteilnehmer würden seit Jahren so auch in Hamburg diskutiert: „Doch was hier als ‚absurde Idee’ und ‚nicht durchsetzbar’ abgetan wird, ist in Berlin erklärtes Ziel: Unterkünfte für alle zu schaffen und Obdachlosigkeit zu verhindern.“
Die Sprecherin der Sozialsenatorin sagte, die Arbeitsgruppen hätten sich „einen ehrgeizigen Terminplan“ gesetzt. Mit ersten, konkreten Maßnahmen werde im Herbst gerechnet – dann kommen die Arbeitsgruppen erneut zu einer Konferenz in Berlin zusammen.