Am 1. November startet das Winternotprogramm. Hinz&Kunzt hat die neue Einrichtung in Hammerbrook vorab besichtigt – und ist positiv überrascht. Zwei Kritikpunkte bleiben aber.
Kurz vor Beginn des diesjährigen Winternotprogramms öffnete der städtische Betreiber fördern&wohnen (f&w) am Donnerstag den neuen Erfrierungsschutz in der Friesenstraße für die Medien. „Wir haben hier den höchsten Standard im Winternotprogramm seit dessen Beginn Anfang der 1990er Jahre erreicht“, sagt Martin Leo, f&w-Bereichsleiter.
Es fängt gleich hinter der Eingangstür zur neuen Winternotunterkunft an: In einem großzügigen Aufenthaltsraum können die Obdachlosen warten, bis sie ihr Bett zugeteilt bekommen. Ehrenamtliche werden hier Essen ausgeben. Kein Vergleich zur alten Containerunterkunft in der Münzstraße, wo Obdachlose beim Warten im Freien Wind und Wetter ausgesetzt waren.
Davon ist die Einrichtung in der Friesenstraße, die bislang als Geflüchtetenunterkunft genutzt wurde, weit entfernt. Vom Erdgeschoss geht es mit dem Fahrstuhl in die Schlafetagen, die so nun auch für Obdachlose im Rollstuhl erreichbar sind. Auch behindertengerechte Sanitäranlagen gibt es. Und insgesamt 400 Betten in hellen Zimmern, die alle abschließbare Schränke haben, in denen die Obdachlosen ihr Hab und Gut aufbewahren können. Angst vor Diebstählen müssen sie nicht mehr haben.
Besser aufgestellt als in vergangenen Jahren
In der Regel sind es Mehrbett-Zimmer mit bis zu sieben Betten. „Aber wir haben viele, viele kleine Räume, die uns die Möglichkeit geben, Zweibettzimmer anzubieten“, schwärmt Katrin Wollberg, Leiterin des Winternotprogramms.
Kleine Gruppen haben gute Chancen, gemeinsam untergebracht zu werden. Und wer abends pünktlich um 17 Uhr wieder da ist, kann während des gesamten Winternotprogramms sein Bett behalten. „Ich freue mich wirklich, dass wir diesen Standort haben“, sagt Katrin Wollberg. Und das sogar für die nächsten zehn Jahre.
Winternotprogramm 2017/18
Es ist eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu früheren Unterkünften im Winternotprogramm: Da gab es etwa das heruntergekommene Gebäude in der Spaldingstraße mit Löchern in den Wänden, in dem man die Fenster nicht aufmachen konnte. Selbst das war jedoch Gold gegen den Luftschutzbunker unter dem Hauptbahnhof, den die Stadt 2010 als Obdachlosenunterkunft genutzt hat: unterirdisch im wahrsten Sinne des Wortes, dunkel, eng und mit viel zu kleinen Betten.
Kritikpunkt 1: Tagsüber müssen die Obdachlosen raus
Bei aller Begeisterung für die neuen Räume: Es bleiben zwei schwerwiegende Kritikpunkte: Egal wie das Wetter ist, die Obdachlosen dürfen erst abends um 17 Uhr kommen und müssen morgens spätestens um 9.30 Uhr raus.
Die Obdachlosen können einfach nicht zur Ruhe kommen– Birgit Müller, Chefredakteurin Hinz&Kunzt
Ungeachtet der Tatsache, dass es für die insgesamt rund 2000 Obdachlosen auf Hamburgs Straßen nicht genug Plätze in den Tagesaufenthaltsstätten gibt. „Das heißt: Die Obdachlose müssen sich den Tag um die Ohren schlagen, sind Wind und Wetter ausgesetzt und können einfach nicht zur Ruhe kommen“, so Birgit Müller, Chefredakteurin von Hinz&Kunzt.
Kritikpunkt 2: Zwei-Klassen-Gesellschaft bei Obdachlosen
Wie bereits im vergangenen Winternotprogramm wird es wieder ein Zwei-Klassen-Prinzip geben: Rumänen und Bulgaren, die einen großen Teil des Jahres in Hamburg obdachlos sind, werden trotzdem abgewiesen, wenn sie im Herkunftsland eine Unterkunft haben.
Hinz&Kunzt wird laufend über das Winternotprogramm berichten.