Peter (59) verkauft Hinz&Kunzt vor Edeka in Krupunder.
Eine Dauerkarte besitzt er nicht. Dafür fehlt das Geld. Trotzdem ist Peter bei jedem St.-Pauli-Heimspiel dabei. Er begleitet drei Rollstuhlfahrer. Ein paar Tage vor dem Spiel holt der 58-Jährige die Tickets ab.
Am Spieltag hilft er schließlich den Behinderten durch den Trubel rund um das Stadion. Das ist nicht nur anstrengend, sondern erfordert vor allem ein hohes Maß an Verbindlichkeit.
Peter zieht das durch, seit fünf Jahren schon. Für einen, der 20 Jahre auf der Straße lebte und der stark alkoholabhängig war, keine Selbstverständlichkeit.
Was ihn motiviert? Einer der Rollifahrer ist Peters bester Freund. Seit 40 Jahren kennen sich die beiden. „Wir hatten den gleichen Bewährungshelfer, wohnten im gleichen Männerwohnheim und verbrachten viel Zeit bei der Heilsarmee auf St. Pauli“, erinnert sich Peter.
Die wilde Zeiten sind vorbei– Peter
Bereits als Säugling hatte ihn seine überforderte Mutter ins Heim abgegeben, mit 18 Jahren landete er das erste Mal auf der Straße. Statt eine Ausbildung zu suchen, fing er an zu klauen.
Er wurde erwischt und machte schließlich „Urlaub in Fuhlsbüttel“, wie Peter das ausdrückt. Zurück in der Freiheit, verbrachte er fortan viel Zeit mit einem neuen Kumpel von der Heilsarmee. Anfangs jobbte er noch als Schausteller, später allerdings habe er nur noch „rumgebutschert“ und viel getrunken, erzählt der gebürtige Hamburger. Oftmals in Begleitung seines Freundes.
Ein Freund suchte nach ihm
Der allerdings machte sich nach der Trennung von seiner Ehefrau mit einem Mal aus dem Staub. Das war etwa Mitte der 1980er-Jahre. Es gab kein Facebook. Kein StayFriends. Und so verloren sich die beiden aus den Augen.
Peter bekam gar nicht mit, dass sein Kumpel wegen einer Knochenerkrankung erst im Rollstuhl und später wegen seiner Alkoholsucht sogar im Heim landete. Sie hätten sich sicherlich nie wiedergesehen, wenn sein Freund nicht vor fünf Jahren einen Platz in einem Wohnheim in Hamburg erhalten hätte.
„Er hat dann nach mir gesucht“, sagt Peter. „Dort, wo er mich vermutet hat: Goldener Handschuh, Silbersack und all die anderen Kneipen, in denen wir früher rumhingen.“
Doch im Unterschied zu seinem Kumpel hat Peter die Kurve gekriegt: Er ist längst nicht mehr Stammgast in irgendeiner Kneipe. Er trinkt noch, aber viel seltener. Und er hat eine eigene Wohnung. Seit 1999. Die dafür notwendige Stabilität verleiht ihm auch der regelmäßige Magazinverkauf.
Vor 20 Jahren kam er zu Hinz&Kunzt. Der Kaffeetresen im Hinz&Kunzt-Vertrieb war schließlich auch der Ort, an dem ihn sein Freund aufspürte. „Er hat dort nach mir gefragt. Natürlich kannten die mich, und so haben wir wieder zusammengefunden“, erzählt Peter.
Gemeinsam ins Stadion
Aus der anfänglichen Überraschung ist wieder echte Freundschaft erwachsen. Am Wochenende geht es ins Stadion – zusammen mit zwei weiteren Bewohnern aus dem Behindertenwohnheim. Oder Peter begleitet seinen Freund ans Wasser. Dort wird geangelt.
„Wir sind ja inzwischen doch etwas älter geworden“, sagt Peter und muss schmunzeln: „Die wilden Zeiten sind wohl vorbei.“