Diakoniechef Dirk Ahrens kritisiert Umgang mit Obdachlosen aus Osteuropa im Winternotprogramm. Weil viele von ihnen nicht mehr in die Notunterkünfte dürften, spricht er von einem „Zwei-Klassen-Prinzip“.
Am 1. November startet die Sozialbehörde wieder das Winternotprogramm. Für die rund 2000 Obdachlosen stellt sie bis März insgesamt 760 Plätze in Mehrbettzimmern am Schaarsteinweg und in der Friesenstraße zur Verfügung. Allerdings befürchtet Dirk Ahrens, Diakoniechef und Herausgeber von Hinz&Kunzt, dass trotzdem „Menschen in der kalten Jahreszeit erfrieren“. Denn seit letztem Winter gebe es ein „Zwei-Klassen-Prinzip“.
Nicht mehr alle Obdachlose dürfen ins Winternotprogramm: Ein großer Teil der Obdachlosen stammt aus Polen, Rumänien oder Bulgarien. Viele haben zuhause eine Unterkunft, auch wenn sie den Hauptteil des Jahres in Hamburg leben. Für sie bietet die Stadt eine Wärmestube an, in der sie sich nachts aufhalten, aber nicht schlafen dürfen. Nach Erfahrung der Diakonie-Straßensozialarbeiter wird die Wärmestube allerdings kaum genutzt.
„Die Menschen kommen wieder, weil sie zuhause ihre Kinder nicht ernähren können.“– Stephan Nagel, Diakonie
Stephan Nagel, Referent für Wohnungslosenhilfe der Diakonie: „Besonders Obdachlosen aus Osteuropa wird unterstellt, sie seien freiwillig obdachlos, sie sollten deshalb besser wieder nach Hause fahren. Doch die Menschen gehen nicht zurück und bleiben dort, sie kommen wieder, weil sie zuhause ihre Kinder nicht ernähren können. Und als EU-Bürger haben sie auch das Recht dazu, hier zu sein.“
Tagsüber müssen die Obdachlosen raus aus den Unterkünften
Das Winternotprogramm ist jedes Jahr Anlass für Auseinandersetzungen zwischen der Sozialbehörde und Wohlfahrtsverbänden. In den beiden Großunterkünften dürfen die Obdachlosen nämlich nur nachts bleiben und müssen tagsüber wieder raus. Und das, obwohl es längst nicht genug Plätze in Tagesaufenthaltsstätten gibt. Selbst eine Online-Petition von Hinz&Kunzt im Winter vor zwei Jahren mit mehr als 55.000 Unterzeichnern konnte daran nichts ändern.
Anderer Kritikpunkt am Winternotprogramm: Jahrelang mussten im Frühling die meisten Obdachlosen wieder zurück auf die Straße. Hier wollen die Sozialbehörde und Unterkunftsbetreiber fördern und wohnen allerdings mehr bewegen. Im vergangenen Winter bekamen 278 Menschen eine Dauerunterkunft, deutlich mehr als in den Jahren zuvor.
Zusätzlich zu den Großunterkünften stellen Kirchengemeinden noch insgesamt 113 Wohncontainer auf ihrem Gelände zur Verfügung. Diese Schlafplätze sind bei Obdachlosen besonders beliebt, weil man dort maximal zu zweit untergebracht ist und tagsüber drinnen bleiben darf. Wermutstropfen: In diesem Jahr sind es deutlich weniger Container als in den Vorjahren. Gründe: Auf dem Gelände einer Kirchengemeinde gibt es eine Baustelle, eine andere fand keine Ehrenamtlichen. Das einzig Gute: Eine Kirchengemeinde stellt deswegen keine Container mehr auf, weil sie jetzt zwei Kirchenkaten gebaut hat. Darin können Obdachlose dauerhaft wohnen.