Während des G20-Gipfels sind Obdachlose zwischen die Fronten von Protest und Polizei geraten. Genau davor hatten Hinz&Kunzt und andere im Vorfeld gewarnt.
Der schwer kranke Obdachlose Krzysztof hatte Glück, dass er keine Brandwunden erlitt, als zehn Meter hinter seiner notdürftigen Schlafsstätte am Bismarck-Denkmal ein BMW in Flammen aufging. Die Obdachlosen unter der Kersten-Miles-Brücke hatten Glück, dass sie von Rauchbomben, Steinen, Feuerwerkskörpern und Reizgas nicht getroffen wurden, als sie sich schlaftrunken inmitten einer Demonstration wiederfanden, die die Polizei rund zwanzig Meter hinter ihrer Platte aufgestaut hatte. Davon haben nicht nur wir erfahren – ein Kollege von Spiegel Online hat die Gewaltszenen direkt miterlebt und darüber berichtet.
An anderen Stellen in der Stadt wurden Menschen ohne feste Bleibe von ihren Schlafplätzen weggeschickt. Zwar fanden seit Anfang Juli rund 80 Obdachlose zusätzlich Schutz in der Unterkunft Pik As, doch für viele, die wir während der Gipfeltage darauf ansprachen, war das keine Option: Sie befürchteten Diebstahl und Gewalt, wollten lieber allein sein als mit mehreren in einem Zimmer schlafen – oder hatten von der Unterbringung schlicht nichts gehört. „Das Pik As hat einen schlechten Ruf“, bestätigt Andreas Bischke, Leiter der Tagesaufenthaltsstätte Herz As. „Dass es für einige keine Alternative ist, ist bekannt.“
Echte Hilfe von öffentlicher Seite bekamen lediglich die Menschen, die üblicherweise neben der Kennedybrücke übernachten: Hier warnten bürgernahe Beamte der Polizei und Mitarbeiter des städtischen Unternehmens fördern&wohnen die Menschen nicht nur rechtzeitig, sondern verschafften ihnen auch rechtzeitig eine sichere Unterkunft – was die Obdachlosen dankbar annahmen.
Hinz&Kunzt forderte sichere Unterkünfte
Rechtzeitige Hilfe und sichere Unterkünfte – das hatte Hinz&Kunzt schon vor Monaten gefordert, zum Beispiel in ehemaligen Erstaufnahmestellen oder dem nun leerstehenden Winternotprogramm. „Wenn Menschen, die eine Wohnung haben, Angst bekommen – wie soll es dann denen ergehen, die dem tagelangen Lärm, den bedrohlichen Szenen auf der Straße und der Gewalt schutzlos ausgeliefert sind?“, fragt Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. Obdachlose seien nicht nur dem Risiko ausgesetzt gewesen, körperlich verletzt zu werden. „Viele auf der Straße sind psychisch krank. Tag und Nacht Polizeisirenen und immer wieder eskalierenden Konflikten ausgesetzt zu sein, ist für sie noch schwerer zu ertragen als für gesunde Menschen“, sagt Stephan Karrenbauer.
„Der Senat hat sehenden Auges in Kauf genommen, dass Obdachlose während der Gipfeltage in Gefahr geraten.“– Stephan Karrenbauer
Viele Menschen in Hamburg brauchten in den vergangenen Tagen Schutz – das ist unbestritten. Die Polizei sollte den Gipfel und seine Teilnehmer schützen, die Wohnquartiere sichern und für die Bewohner Hamburgs da sein. Mit dieser Vielzahl an Aufgaben war sie offenkundig überfordert. Dennoch unterstützten viele Polizisten die Obdachlosen in der Stadt nach Kräften – mancherorts schenkten Beamte ihnen Flaschenpfand oder gaben Menschen auf den Platten von ihrer Verpflegung etwas ab. An ihnen hat es nicht gelegen.
„Der Senat hat sehenden Auges in Kauf genommen, dass Obdachlose während der Gipfeltage in Gefahr geraten“, sagt Stephan Karrenbauer. „Er hat es darauf ankommen lassen, dass Wehrlose im Tumult verletzt werden.“