Früher galt Horst als abschreckendes Beispiel: Er soff sich fast tot, wurde mit mehr als fünf Promille im Blut aufgegriffen. Jetzt ist der Hinz&Künztler seit zehn Jahren trocken.
Der Mann im Anzug grüßt mit kräftigem Händedruck: „Tach, ich bin Horst.“ Er wohnt jetzt mit seinen Wellensittichen in Jenfeld, erzählt er, ordentliche Wohnung, tolle Stammkunden auf dem Blankeneser Wochenmarkt. Seit Kurzem gibt es sogar wieder eine Frau an seiner Seite. Und er hatte gerade sein Doppeljubiläum: Zehn Jahre trocken, zehn Jahre Hinz&Künztler in Blankenese – was für ein Erfolg.
Dabei galt er früher als abschreckendes Beispiel. „Rekord!“ überschrieb die Mopo vor gut zehn Jahren den Artikel, der Horst stadtbekannt machte. Mit 5,19 Promille im Blut war er mit der Polizei aneinandergeraten. Heute sehe er viel jünger aus als damals auf dem Titelfoto, scherzt Horst und ist froh, dass er überhaupt noch lebt nach so vielen Abstürzen. Zuletzt bettelte er vor der Haspa in Ottensen, trank schon morgens Korn, „um den Klapper wegzumachen“.
Ich wollte auf eigenen Beinen stehen– Horst
Wie das passieren konnte, habe er bis heute nicht verstanden, sagt er. Er verlangte doch gar nicht viel vom Leben. Nach der Hauptschule fing Horst im Straßenbau an, zog in ein möbliertes Zimmer. Mit 22 Jahren stand er erstmals vor dem Traualtar. „Ich wollte auf eigenen Beinen stehen“, sagt er. „Aber das hat leider nicht geklappt.“
1999 kam er zum ersten Mal zu Hinz&Kunzt
Denn an den Alkohol hatte er sich schon auf dem Bau gewöhnt. Er trank aus Geselligkeit – und aus Stress. Der kam dicke, als die Ehe aus dem Ruder lief. Sein Sohn war gerade geboren. „Wie ich geschieden wurde“, erinnert sich Horst, „da ging’s bergab.“
Seine Exfrau bekam das Sorgerecht und die Wohnung, Horst machte Platte: „Ich wusste ja nicht wohin.“ Er schaffte es zum Sozialamt, bekam ein Zimmer am Hansaplatz, heiratete erneut. Doch nach sechs Jahren stand er wieder allein und ohne Bleibe da. Es wurde immer schwerer, Halt zu finden. 1999 kam er zum ersten Mal zu Hinz&Kunzt, lernte seine dritte Ehefrau kennen. Doch beim Zeitungsverkauf nüchtern zu bleiben, das klappte nicht, und wieder ging alles in die Brüche.
Bis zu dem Tag, als Horst sich als Rekordtrinker in der Mopo wiederfand. Ein heilsamer Schock. Damals fasste er einen Entschluss: nüchtern werden, für immer. Tag für Tag trank er etwas weniger, bis er nichts mehr brauchte. „Ohne Therapie habe ich das geschafft“, sagt er. Hilfe hatte er zum Glück doch: Einer Pastorin vertraute er sich an, „ich glaube ja auch an den lieben Gott“. Die Mopo-Reporterin von damals begleitete ihn zurück zu Hinz&Kunzt.
Er kümmert sich gern um andere
Auch sein Sohn stand ihm bei. Und sein früherer Mitbewohner Norbert. Der machte ihm abends warmes Essen und nahm ihn in Schutz, wenn andere ihn zum Trinken drängten. Auch seine Kunden machten ihm Mut. Schließlich war er stark genug, dass er sogar das Ende seiner vierten Ehe überstand.
„Es war doch eine gute Idee von mir, dass ich mein Leben zum Positiven umgekrempelt habe“, stellt Horst fest. Nach sechs Ein-Euro-Jobs hofft er jetzt auf eine Umschulung zum Nachbarschaftshelfer. Er kümmert sich gern um andere. Für seine Stammkunden schreibt er Weihnachtskarten, jede ein Unikat – wie die Einladungskarten für sein Jubiläum in der Stadtbäckerei Blankenese. Das ist Horsts Stärke, und das weiß er auch: „Ich gebe viel zurück, auf meine Weise.“