Der Bezirk Mitte vertreibt Obdachlose aus der Innenstadt. Eine Gruppe, die am Alsterfleet unter der Willy-Brandt-Straße lebte, muss bis Montag ihr Lager räumen. Ansonsten droht der Bezirk mit einer Räumung.
Mit Blick auf den Alsterfleet und geschützt vor Regen lebten fünf Obdachlose seit bald zwei Jahren unter der Willy-Brandt-Straße. Die Zelte vor Nässe gesichert auf Holzpaletten, sogar ein Regal hatten sich die Gruppe aufgebaut. Abfall sammeln sie in großen Müllsäcken. Es herrscht Ordnung und Sauberkeit, wie man es sonst fast nur von Hamburgs bekanntester Obdachlosen-„Platte“ unter der Kennedybrücke kennt. Doch damit ist jetzt Schluss.
Das Bezirksamt hat die Obdachlosen aufgefordert, ihre „Platte“ in der Nähe des Steigenberger Hotels zu räumen. Zunächst hieß es, bis Mittwoch um 10 Uhr. Im Gegensatz zur Kennedybrücke gäbe es keine langjährige Duldung. Sollten die Obdachlosen dieser Aufforderung nicht Folge leisten, droht das Amt mit Hilfe der Polizei die Maßnahme durchzusetzen.
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Weitere Informationen„Da gehe ich lieber freiwillig“, sagt Mike. „Ich will keinen Ärger.“ Seit einigen Monaten lebt der Obdachlose unter der Brücke am Alsterfleet. Er habe bereits eine neue Fläche am Stadtrand gefunden. Dort will er mit zwei weiteren Mitgliedern aus der Gruppe künftig sein Lager aufschlagen. „Hier schläft aber auch eine Frau, die hatte gerade Operationen an beiden Beinen“, sagt Mike. „Die kann gar nicht wo anders hingehen.“
Dass der Bezirk plötzlich durchgreift, überrascht. Als Begründung gibt die Pressestelle an, dass Beschwerden der Anlieger vorlägen. Mike hat bezweifelt die Argumentation. „Wir hatten hier nie Probleme“, sagt der Obdachlose. Gleich in der Nähe hätten sie sogar die Toiletten einer Tankstelle nutzen dürfen. Außerdem hätten sie immer für Ordnung gesorgt.
Diakonie kritisiert Räumung
Der Termin für die Räumung wurde nach Hinz&Kunzt-Informationen zunächst auf Freitag und dann nach ersten Aufräumarbeiten auf den kommenden Montag verschoben. Die Diakonie kritisiert das Vorgehen des Bezirks: „Auch in diesem Fall müssen wir sagen: Die Diakonie Hamburg lehnt die Vertreibung wohnungsloser Menschen von ihren Schlafplätzen im öffentlichen Raum ab“, sagte Dirk Hauer, Leiter des Fachbereiches Migration und Existenzsicherung. „Das Übernachten im Freien ist Ausdruck großer Not. Die Vertreibung löst keine Probleme, sie beseitigt Obdachlosigkeit nicht. Was wir brauchen, sind genügend Unterkunftsplätze mit einem akzeptablen Standard und mehr Wohnraum für Wohnungslose.“