Victor Ash ist der neueste Künstler unserer StrassenKunztEdition. Seine Arbeit und die von DEIM, Boxi, Daniel Man, Zevs und ecb sind ab dem 6. Dezember im Foyer des Kunsthauses zu sehen.
Wie aus dem Ei gepellt sieht Victor Ash aus: weißes Hemd, dunkler Pullover, edle Jeans. Man würde nicht als Erstes darauf tippen, dass dieser Mann ein Straßenkünstler ist. Dass er sich in seiner Kunst vor allem mit der Entfremdung des Menschen von der Natur auseinandersetzt; ein glühender Umweltschützer ist – äußerlich deutet wenig darauf hin.
Seine überlebensgroßen Wandbilder sind da schon leichter zu dechiffrieren. „The Wolf of Copenhagen“ etwa, ein Wolfskopf in Schwarz-Weiß. Der wachte 2015 mit stoischem Blick über ein Festivalgelände in Dänemark. „Dass uns Tiere zurück anschauen, wenn wir sie ansehen, so etwas kennen wir in der Großstadt ja gar nicht mehr“, sagt Ash, „wir verlieren den Bezug zur Natur immer mehr, gerade in der Großstadt.“
Mit Graffiti fing alles an
Aufgewachsen ist Ash im Ponte de Lima, der ältesten Stadt Portugals. Der gesamte Ortskern des kleinen Städtchens steht heute unter Denkmalschutz, drumherum viel Natur. Als Victor vier Jahre alt war, zogen die Eltern mit ihm nach Paris – ein heftiger Kontrast, der Folgen hatte: „Als ich 14 Jahre alt war, war ich total verrückt nach Graffiti“, erinnert er sich.
Zur Kunsthochschule ging der Autodidakt nicht. Das bereut er heute manchmal. Weil er sich vieles, was seine Freunde aus der Kunstszene schon früh lernten, mühsam selbst aneignen musste. Es sollten fast 20 Jahre vergehen, bis er den Weg in den Kunstbetrieb fand. Gute Kunst setzt sich durch, glaubt Ash. Trotz des vielen Tands. „Nur weil jemand Street Art macht, ist es noch lange keine gute Kunst. Vieles ist sehr illustrativ, aber nicht unbedingt interessant.“
Wir verlieren den Bezug zur Natur immer mehr.– Victor Ash
Graffiti macht er selbst schon lange nicht mehr, stattdessen malt er auf Leinwand oder baut Installationen. Seine Wandbilder entstehen nicht mehr illegal, sondern auf Wunsch seiner Auftraggeber. Heute findet sich seine Kunst an Häuserwänden, Getreidesilos und Fabrikschornsteinen: im Universitätsstädtchen Lüneburg, wo er 2009 seine Wildtier-Version der „Bremer Stadtmusikanten“ an eine Hauswand brachte, ebenso wie in der Millionenmetropole Tokio. Ihn selbst hat es der Liebe wegen nach Kopenhagen verschlagen.
Jetzt neu in der StrassenKunzt-Edition „The Sun Red, Orange, Yellow“ von Victor Ash, 2016: „Für die StrassenKunztEdition habe ich das Symbol der Sonne gewählt, denn die Sonne ist der Ursprung des Lebens und ein Symbol für Hoffnung“, so Victor Ash. In der Edition sind auch weiterhin die Werke von ecb, DAIM, Daniel Man und Zevs erhältlich. Alles limitierte Auflagen: je 99 Stück zum Preis von je 99 Euro. Der Erlös geht zur Hälfte an die Künstler, zur Hälfte an Hinz&Kunzt. Infos und Bestellung.
Er kennt Obdachlosigkeit nicht nur von fern
Bei seinen Wandgemälden helfen Victor Ash immer wieder auch Obdachlose. So 2014 auf Teneriffa, als er „Borders to Paradise“ malte – ein Wandbild mit afrikanischen Flüchtlingen, die auf Schleuserbooten die lebensgefährliche Fahrt übers Meer riskieren. „Die Obdachlosen haben die Umrisse ausgemalt, die ich vorgezeichnet hatte“, sagt Ash. Eine gute Erfahrung, „sie waren stolz, Teil von etwas Größerem zu sein“.
Ash hat eine sehr persönliche Beziehung zum Thema. Sein älterer Bruder war selbst betroffen. „Mit 25 Jahren hat es ihn komplett aus der Bahn geworfen. Er hatte massive psychische Probleme“, erzählt Ash – die irgendwann dazu führten, dass er sein Leben nicht mehr auf die Reihe bekam und er schließlich immer wieder auf der Straße schlief. Es ist eine Geschichte ohne gutes Ende. Der Bruder starb vor Jahren.
Mit seinen Wandbildern will Ash die Menschen erreichen. Wie mit seinem berühmtesten Werk, dem 22 mal 14 Meter hohen „Astronaut Cosmonaut“ in Berlin-Kreuzberg. Touristen auf Street-Art-Rundgängen bleiben davor stehen, recken die Köpfe. Jeden Tag, erzählt Ash, schicken ihm Leute davon Fotos über Instagram.
Er kennt Berlin seit den 80ern. Ein paar Meter vom Standort seines Wandbildes verlief früher die Mauer. „In meinem Kopf habe ich sie immer noch vor mir.“ Die Junkies und Punks in Kreuzberg ließen ihn an den berühmten Bowie-Song „Space Oddity“ denken – Ground Control to Major Tom!
Ausstellung
Dazu Erinnerungsfetzen an den Kalten Krieg, Wettrüsten bis ins All. Aus dieser Assoziationskette entstand das Wandbild.
Für die Hinz&Kunzt StrassenKunztEdition ist Ash zu seinem Herzensthema, der Natur, zurückgekehrt. „The Sun Red, Orange, Yellow“ zeigt eine glühende Sonne in drei Farben. „Ohne Sonne kein Leben. Die Sonne bringt Licht, und Licht ist ein Symbol für Hoffnung“, sagt Victor Ash.