Obdachloser :
Dieter organisiert sich Hilfe

#kalterAsphalt
Dieter ist vorläufig in der Kirchenkate untergekommen. Weihnachten wird er wohl alleine verbringen.

Noch kann Dieter sich in der Krankenstube auskurieren. Bald aber muss er wieder raus – und was dann? Der 64-Jährige hofft auf einen Container im Winternotprogramm. Erst recht jetzt, wo sein Herz nicht mehr richtig mitmacht.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Herzinsuffizienz. Die Diagnose hat Dieters Leben ganz schön auf den Kopf gestellt. Nicht nur, dass es für ihn lebensgefährlich geworden ist, weiterhin Platte zu machen. Er braucht jetzt Unterstützung vom Staat. Dabei wollte Dieter immer unabhängig sein, lieber keine Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Jahrzehntelang vermied er den Kontakt mit Ämtern und Behörden, gab sich mit seinen Einkünften aus dem Zeitungsverkauf zufrieden. Die Kehrseite: Jahrelang zahlte er kaum in die Krankenkasse ein. Zwar sprang die Versicherung in die Bresche, als er mit Blaulicht ins Krankenhaus musste. Doch 60 Euro als Eigenanteil der Behandlungskosten muss er trotzdem zahlen. Und er hat Schulden bei der Kasse: 3449 Euro. Ein Schock für Dieter. Da bleibt ihm nichts anderes übrig: Er muss jetzt zum Jobcenter.

Doch Dieter packt die Sache an – und ist auch schon ein gutes Stück vorangekommen. Die ersten Termine beim Jobcenter hat er bereits erledigt. Einen Lebenslauf musste er dort abliefern, die Rentenauskunft einholen, eine Abmeldebestätigung einreichen, ein Konto eröffnen. Hilfe bei seiner Behördentour bekommt er vom Sozialarbeiter der Krankenstube. Weil er mit 64 Jahren noch knapp vor dem offiziellen Rentenalter steht, muss Dieter erst einmal mit Hartz IV über die Runden kommen. Vorläufig ist sein Antrag bewilligt. „Das hat alles wunderbar geklappt, ich bin zufrieden“, sagt Dieter. Jetzt fließt wieder Geld an die Krankenkasse. Auch seine Rentenansprüche hat Dieter schon abfragen lassen: Stellt er den Antrag regulär zu seinem 65. Geburtstag, stehen ihm 174,08 Euro zu.

Ich mach mir schon Sorgen, ob das klappt mit dem Container.– Dieter

Die Abmeldebestätigung aus München ist auch schon unterwegs. Dort hatte Dieter seinen letzten gemeldeten Wohnsitz, ein Zimmer in einem Männerwohnheim. Fast täglich erkundigt er sich beim Einwohnermeldeamt, ob das Papier aus München schon da sei. Der Postweg braucht eine Weile, aber die Sache läuft, sagt er. So zuversichtlich haben wir ihn lange nicht mehr erlebt. Ein Konto will er auch bald eröffnen. „Das mache ich alles mit dem Sozialarbeiter. Der hilft mir“, sagt Dieter.

Kalter Asphalt

Obdachlosigkeit ist schon im Sommer echt hart – im Winter wird es richtig gefährlich. Wir begleiten einige Obdachlose durch die kalte Jahreszeit. Dieter wollte nie eine Wohnung, jetzt macht ihn die Straße krank. Bonnie und Clyde waren in ihrer Wohnung überfordert, jetzt finden sie vielleicht nicht mal einen Container. Und Marek, Krzysztof und „Papa“ ziehen mit ihrem Zelt von einem Platz zum anderen, weil sie überall vertrieben werden. Unsere Reihe beginnt im Oktober – bevor das Winternotprogramm startet. Werden Sie dort alle einen Platz bekommen? Und wie geht es dann mit ihnen weiter? Wir bleiben dran.

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Nur die hohen Schulden bei der Kasse, die sind noch offen. Rasch abbezahlen kann Dieter sie natürlich nicht. Er hofft, dass die Versicherung sich auf Raten einlässt, die er stemmen kann. „Aber das weiß ich noch nicht, das muss ich noch nachfragen“, sagt er. Dieter bleibt vorsichtig, er erwartet lieber nicht zu viel Entgegenkommen – auch wenn seine Notlage offensichtlich ist.

Kummervoll wird sein Blick beim Gedanken an den bevorstehenden Dienstag. „Um fünf Uhr muss ich schon hoch. Ich weiß gar nicht, wie ich das schaffe, so früh aufzustehen“, sagt er. Noch vor Sonnenaufgang will er die Krankenstube verlassen, um um sechs Uhr morgens bei der TAS, der Tagesaufenthaltsstätte der Diakonie, zu sein und sich einen Platz im Winternotprogramm zu sichern. Dann wird sich entscheiden, ob er im Winter ein Dach über dem Kopf haben wird. Für Dieter eine existenzielle Frage. „Ich mach mir schon Sorgen, ob das klappt mit dem Container“, sagt er. „Auf der Straße geht’s nicht mehr. Ich habe Angst, dass ich zusammenklappe.“

 

Autor:in
Annabel Trautwein
Annabel Trautwein
Annabel Trautwein schreibt als freie Redakteurin für Politik, Gesellschaft und Kultur bei Hinz&Kunzt - am liebsten über Menschen, die für sich und andere neue Chancen schaffen.

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