Der Bezirksamtsleiter von Mitte hat zahlreiche Umbauten angekündigt, um den Hauptbahnhof attraktiver zu machen. Jedoch nicht für alle: Trinker, Bettler und Obdachlose sollen sich dort nicht wohl fühlen.
Markige Worte von Falko Droßmann (SPD): Der Bezirksamtsleiter in Mitte hat im Abendblatt angekündigt, am Hauptbahnhof aufzuräumen. Dieser dürfe „kein Angst- und Ekelraum sein.“ Droßmann will nicht nur mehr Mülleimer aufstellen lassen und alte Fahrradleichen entsorgen, er hat es konkret auf die Trinker, Bettler und Obdachlosen abgesehen – „Menschen mit störenden Verhaltensweisen“, wie der Bezirksamtschef sie nennt.
Droßmann stört sich daran, dass verschiedene Flächen im Vorbereich des Bahnhofs als Treffpunkte genutzt werden, etwa eine nicht mehr im Betrieb befindliche Lüftung des Hachmann-Bunkers. „Mittlerweile dient sie als Tisch für Leute, denen wir keine Aufenthaltsqualität bieten wollen“, so der Bezirksamtschef im Abendblatt. Schon am Montag sollten zahlreiche Umbaumaßnahmen beginnen.
Das hat Droßmann vor
Wir haben beim Bezirksamt nachgefragt, was genau geplant ist. Hier die wichtigsten Maßnahmen, die die Obdachlosen, Trinker und Bettler betreffen:
- Treffpunkte in Vorbereichen des Bahnhofs sollen abgebaut oder saniert werden, um sie für die Szene unattraktiver zu machen
- Das Urinal am Hachmannplatz soll an einen anderen Ort versetzt werden
- Polizei und Ordnungsamtmitarbeiter sollen an Brennpunkten gemeinsam kontrollieren
- Die Mauer zwischen Heidi-Kabel-Platz und der Fahrrad-Stellplatzanlage Bieberhaus soll abgerissen werden
Zudem sollen Putzkolonnen häufiger zum Einsatz kommen und mehr Big Belly-Mülleimer aufgestellt werden. „Am Montag geht es los“, hatte Falko Droßmann angekündigt. Bislang sind allerdings nur die Halter von Fahrradleichen aufgefordert worden, diese zu entfernen, wie Hinz&Kunzt auf Nachfrage im Bezirksamt erfuhr. Alle anderen Maßnahmen würden nun angeschoben, aber das brauche Zeit. „Im Prinzip geht es los, aber es ist noch nicht sichtbar“, sagt Bezirksamtssprecherin Sorina Weiland.
Das sagt die Bahn
Bei der Bahn ist unterdessen noch nichts von Droßmanns groß angekündigter Aufräum-Offensive zu spüren: „Nein, wir haben die Präsenz in unserem Zuständigkeitsbereich nicht erhöht“, sagt Bahn-Sprecher Egbert Meyer-Lovis. Die Bahn hat das Hausrecht im Bahnhof bis zum Vordach am Hachmannplatz.
Es war in den vergangenen Wochen eher ruhig.– Bahn-Sprecher Egbert Meyer-Lovis
Dort dürfen die Mitarbeiter der DB-Sicherheit die Bahnhofshausordnung durchsetzen. Die Frage, ob in den vergangenen vier Wochen verstärkt Hausverbote ausgesprochen worden seien, verneint Meyer-Lovis. Im Gegenteil: „Da gab es keine besondere Veränderung. Es war eher ruhig.“
Das sagt die Polizei
Auch bei der für den Innenbereich des Bahnhofes zuständigen Bundespolizei läuft bislang alles wie immer. „Wir haben unsere Streifen im Bahnhof nicht verstärkt“, sagt Sprecher Rüdiger Carstens. Seit dem vergangenen August führe man gemeinsame Streifen mit der Landespolizei durch, die wiederum für die Vorplätze zuständig ist. Seit dem Sommer sei es zu einer erhöhten Anzahl von Belästigungen von Passanten durch Alkoholisierte gekommen.
Die Beamten würden in solchen Fällen auch Platzverweise erteilen. Über die Zahl führt die Bundespolizei jedoch keine gesonderte Statistik. „Die Leute werden aber nicht nur weggeschickt, es werden ihnen auch Beratungsangebote gemacht, wohin sie gehen können“, betont Carstens. Die Landespolizei kündigte eine Stellungnahme für Dienstag an.
Das sagen die Obdachlosen
Die Obdachlosen Maik (40) und René (39) halten gar nichts von den Plänen des Bezirks. „Uns hat niemand gefragt, was uns stört“, sagt René. Die beiden sitzen in einer Gruppe unter dem Vordach vor dem Bahnhof zum Hachmannplatz, viele trinken Alkohol. Aus Langeweile, sagt Maik. „Hier sitzt man im Trockenem, draußen wird man nass“, erklärt er. Deswegen würden sich so viele Obdachlose dort aufhalten.
„Niemand ist freiwillig hier. Ich würde sofort arbeiten gehen, wenn ich einen Job hätte“, sagt der gelernte Maler und Lackierer. Doch ohne Wohnung würde er keinen Job finden. „Und ohne Arbeit kriegst keine Wohnung“, beschreibt er den Teufelskreis, indem er feststeckt. „Dabei würde ich so gerne arbeiten gehen!“
„Wir sind der letzte Dreck“, beschreibt René, wie er sich von der Stadt behandelt wird. Vom Bahnhof wegschicken lassen wollen sie sich nicht auch noch: „Obdachlose kriegst du nicht vertrieben“, betont Maik. „Die kommen immer wieder.“
Das sagt der Straßensozialarbeiter
Johan Graßhoff, als Straßensozialarbeiter bei der Diakonie für die Obdachlosen am Bahnhof zuständig, sagte uns im Interview: „Die Verbannung von auffälligen Menschen vom Hauptbahnhof löst die Probleme nicht. Letztlich erfolgt lediglich eine Verdrängung in andere Stadtviertel, in Randlagen. Hierdurch können die Probleme der Menschen sogar weiter verschärft werden. Das ist die falsche Antwort.“
Das sagt Hinz&Kunzt
„Wo sollen die Obdachlosen denn hin?“, fragt sich Hinz&Kunzt-Chefredakteurin Birgit Müller. Derzeit gebe es nur Plätze für 400 Menschen – wenn alle Tagesaufenthaltsstätten geöffnet sind. Und das bei rund 2000 Obdachlosen. „Wir brauchen eine große Lösung“, fordert Müller.
„Früher wurden auch immer die Drogenkranken vom Bahnhof vertrieben. Das Thema war erst dann zufriedenstellend gelöst, als das Drob Inn im Münzviertel eröffnet wurde: mit Beratungsangeboten und Aufenthaltsmöglichkeiten. Eine entsprechende Lösung brauchen wir heute auch wieder – inklusive ausreichenden Schlafmöglichkeiten.“