Die Fair-Handels-Kommission

Experten erklären, warum sie für eine gerechte Weltwirtschaft eintreten

(aus Hinz&Kunzt 188/Oktober 2008, Das Modeheft)

Dieter Overath

Gründer und Geschäftsführer des Vereins TransFair, der Siegel für fair gehandelte Produkte vergibt

„Gerechtigkeit macht Freude“, hat ein kluger Mensch mal gesagt. Beim Einkauf fair gehandelter Produkte verbindet sich für mich beides. Für Fairtrade-Kaffee und -Bananen zum Beispiel werden keine Menschen ausgebeutet – und die Qualität stimmt auch.

Dass die Fairhandelsbedingungen eingehalten werden, garantiert weltweit das Fairtrade-Siegel: Die unabhängige Firma Flo-Cert ist mit ihren Kontrolleuren dafür regelmäßig vor Ort. Durch die Überwachung der einzelnen Anbau- und Produktionsschritte weiß ich auch, aus welchem Land etwa die Bohne für meinen Kaffee kommt. Konventionelle Produkte sind wegen des globalisierten Marktes häufig total anonym. Fairer Einkauf ist daher für mich auch persönlicher.

Das alles macht aber keine Freude, wenn der Kaffee wie Plörre schmeckt oder die Bananen matschig sind. Qualitätstests ergeben immer wieder: Fairtrade-Produkte fahren Spitzenplätze ein. Zuletzt wurden im Februar dieses Jahres die Bananen von drei Supermarktketten von Öko-Test mit „sehr gut“ bewertet. Im März dieses Jahres wurde ein fairer Orangensaft Testsieger. Und Stiftung Warentest urteilte vergangenen November: Eine Fairtrade-Vollmilchschokolade ist die Beste von den Getesteten.

Rund 193 Millionen Euro haben die Bundesbürger 2007 für fair gehandelte Produkte ausgegeben. Das sind etwa 20 Prozent mehr als im Vorjahr – und ergibt eine Verdoppelung innerhalb von vier Jahren. Für das Jahr 2008 zeichnet sich wieder eine Steigerung des Absatzes ab: So wurden zum Beispiel im ersten Halbjahr dieses Jahres drei Tonnen fair gehandelter Kaffee mehr verkauft als im gleichen Zeitraum 2007.

TRANSFAIR ist ein Verein zur Förderung des fairen Handels mit wirtschaftlich schwach entwickelten Ländern, der mit dem Fairtrade-Siegel fairen Handel in Deutschland zertifiziert


Edelgard Abram


Referentin bei Brot für die Welt und aktiv bei der Hamburger Regionalgruppe der Kampagne für Saubere Kleidung

Wohl kaum eine Branche ist so stark globalisiert wie die Textilindustrie. 90 Prozent der Kleidung, die bei uns über die Ladentische geht, kommt aus Asien, Lateinamerika oder Osteuropa.

In Indonesien sind mehr als 90 Prozent der Beschäftigten Frauen. Aus ihren engen Unterkünften strömen sie jeden Morgen in die riesigen Fabrikhallen, wo Hunderte von Maschinen einen ohrenbetäubenden Lärm verursachen, oder sie arbeiten in kleinen überhitzten und schlecht beleuchteten Baracken.

Ihre Löhne reichen nicht zum Leben. Sie erhalten den staatlich festgesetzten Mindestlohn, der umgerechnet zwischen 60 und 65 Euro im Monat liegt. Das reicht oft nur für eine Gemeinschaftsunterkunft, auch bei der Verpflegung müssen Kompromisse gemacht werden. Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, müssen sie Überstunden machen. Neu eingestellte Arbeiterinnen erhalten während einer Woche Training keinen Lohn mit der Begründung, sie würden noch nichts produzieren. Nicht einmal die Hälfte der Arbeiterinnen besitzt einen Arbeitsvertrag. Teilweise wird mit Tagelöhnerinnen gearbeitet. Für 1,50 Euro am Tag entfernen sie Fäden oder bringen Accessoires an, davon können sie sich nicht einmal eine Dose Trockenmilch kaufen.

Multinationale Handelsunternehmen und Discounter zählen zu den Gewinnern der Einkaufspolitik nach dem Motto: billiger, schneller, flexibler. Der Kampf um niedrige Preise und kurze Lieferfristen wird auf dem Rücken der Arbeiterinnen ausgetragen. Die soziale Spirale dreht sich weiter nach unten, auch bei uns.

Verstöße gegen Grundrechte müssen öffentlich gemacht werden. Der Boykott einzelner Konzerne ist nicht im Sinn der Arbeiterinnen im Süden. Sie fürchten ohnehin schon um ihre Jobs. Was unsichere Arbeitsbedingungen angeht, ist Indonesien nicht weit weg von Deutschland. Auch bei uns werden teilweise sittenwidrige Löhne von weniger als fünf Euro in der Stunde gezahlt, und manchmal wird die Bildung von Betriebsräten verhindert. Wir müssen uns hier nicht nur mit

Näherinnen in Asien solidarisieren, sondern auch mit der Kassiererin des Discounters um die Ecke.

BROT FÜR DIE WELT ist eine evangelische und freikirchliche Hilfsorganisation unter dem Leitmotiv „Gerechtigkeit den Armen“. Die Kampagne für Saubere Kleidung ist eine Initiative zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der weltweiten Textilindustrie

Berndt Hinzmann

beim INKOTA-Netzwerk zuständig für die Kampagne für Saubere Kleidung und Öffentlichkeitsarbeit

Fairer Handel nach den Kriterien der Dachorganisationen des fairen Handels (www.forum-fairerhandel.de) ist ein zentrales Mittel zur Armutsbekämpfung. Bekleidungs- und Textilindustrie wird für die Länder des Südens häufig als erster Entwicklungsschritt angesehen. Aber in den meisten Produktionsstätten werden internationale Rechte missachtet. Damit sich das ändert, hat sich vor zehn Jahren die Kampagne für

Saubere Kleidung gegründet. Dank der Unterstützung von vielen Verbrauchern mussten sich Marken- und Bekleidungsfirmen bewegen, einige Verbesserungen wurden erreicht. Aber fair sind auch die großen Häuser wie C&A und H&M bei Weitem nicht, selbst wenn sie schon einige Sozialstandards setzen. Hessnatur hat sehr weitergehende Veränderungen vorgenommen, hat aber auch noch einiges zu tun.

Aber es geht voran. Der Handel muss sich den Problemen stellen. Es wirkt, wenn Verbraucher beim Einkauf nachhaken, eine Protestkarte abschicken oder sich an Online-Protesten beteiligen. Sie haben ein Recht auf Transparenz und können neben der Qualität des Materials auch soziale Qualität und bessere Standards einfordern.

Eine Forderung könnte sein, dass die Firmen sich beim Lohn in Zukunft nicht an den staatlichen Mindestlöhnen orientieren, sondern am Existenzminimum. Dann wäre Arbeit wirklich eine Möglichkeit, sich aus der Armut zu befreien.

Denn selbst diese niedrigen offiziellen Mindestlöhne wurden von einigen Staaten in den vergangenen Jahren oft gesenkt, damit die Unternehmen nicht an andere Standorte weiterziehen. Kontrolleure berichten, dass die überwiegend jungen Frauen in den Fabriken extrem viele Überstunden machen und der Akkord hochgetrieben wird. In sogenannten Loyalitätszeiten wird vor und nach der Schicht geschuftet, ohne dass das bezahlt wird.

Übrigens müsste der Verbraucher bei höheren Löhnen nicht befürchten, dass die Ware hier viel teurer wird. Bei einem T-Shirt oder einer Jeans beträgt der Lohnanteil am Verkaufspreis meist zwischen 0,4 Prozent und 1 Prozent.

INKOTA ist ein Netzwerk von entwicklungspolitischen Basisgruppen, Kirchengemeinden, Weltläden und Einzelengagierten

Marita Wiggerthale

Handelsexpertin bei Oxfam Deutschland und Autorin von „Endstation Ladentheke. Einzelhandel – Macht – Einkauf“

Die Industrienationen diktieren weltweit den Handel und damit die Arbeitsbedingungen Hunderttausender Menschen in den Anbauländern. Am Beispiel der Ananas lässt sich das schön verdeutlichen. In Deutschland gehört sie zu den beliebtesten Südfrüchten. Der Import hat sich von 2001 bis 2005 nahezu verdoppelt: Auf 127.180 Tonnen im Jahr. Ein exotischer Genuss auf Kosten der Menschen vor Ort: Katastrophale Arbeitsbedingungen sind beim Ananasanbau der Normalfall. Die Feldarbeiter schuften meist zwölf Stunden und mehr ohne ausreichende Schutzkleidung. In den Stoßzeiten, wenn große Felder schnell abgeerntet werden müssen, wird zwei bis drei Wochen durchgepflückt. Dabei sind die Arbeiter ständig Pestiziden ausgesetzt. Die Folge: Allergien, Kopfschmerzen, Nasenbluten und Gliederschmerzen.

Verantwortlich für diese Arbeitsbedingungen sind wir. In Deutschland wird der Einzelhandel mit Lebensmitteln von wenigen großen Unternehmen beherrscht. Bereits heute teilen sich Edeka, die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland), Aldi, Rewe, Metro und Tengelmann 90 Prozent dieses Marktes untereinander auf. Der deutsche Markt ist gesättigt. Das heißt: Neue Marktanteile können nur durch die Verdrängung von Mitbewerbern gewonnen werden. Wer die Ananas am günstigsten anbietet, lockt mehr Kunden zu sich. Deshalb senken Supermärkte und vor allem Discounter die Preise. Um den Verlust aufzufangen, üben sie Druck auf ihre Produzenten und Zulieferer zum Beispiel in Costa Rica aus. Die wiederum sparen an den Kosten für ihre Arbeiter, die sie mit niedrigen Löhnen, unsicheren Arbeitsverträgen und geringen Sozialleis-tungen abspeisen.

Um Strukturen der Ungerechtigkeit und Armut aufzubrechen, fordert Oxfam Deutschland: Lebensmitteleinzelhändler müssen bei ihrer Auftragsvergabe und beim Einkauf darauf achten, dass ihre Lieferanten ihre Arbeiter fair behandeln. Die Verbraucher in Deutschland sollten sich überlegen, wo sie einkaufen und durch ihr Kaufverhalten zeigen, dass sie ausbeuterische Strukturen nicht unterstützen. Wer kann, könnte beispielsweise seine Ananas aus fairem Handel kaufen.

OXFAM ist eine gemeinnützige Organisation zur Bekämpfung von Armut und Hunger

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