Ein Mord in der Welt des Pferdesports, Geldwäsche und der erste obdachlose Ermittler Deutschlands: Michael Koglin hat einen neuen Hamburg-Krimi geschrieben
(aus Hinz&Kunzt 185/Juli 2008)
Omen hat nichts zu verlieren – er hat keinen Job, keine Familie, keine Pläne. Omen ist obdachlos und der Ermittler im neuesten Hamburg-Krimi. Nach seinem Wohnsitz gefragt, antwortet er trocken: „Karstadt, Mönckebergstraße.“ Das einzig Wertvolle in seinem Besitz ist ein Mantel der Edelmarke „Omen“. Den hat er mal geschenkt bekommen, und der gab ihm seinen Namen: Omen. Nichts weiter. Nicht einmal den Luxus eines Nachnamens leistet er sich.
„Omen ist ein eigenwilliger Typ und manchmal geht er mir auf die Nerven“, sagt der Hamburger Autor Michael Koglin. Dabei gab er ihm selbst die Hauptrolle als Ermittler in seinem Buch „Der du bist dem Vater gleich“. Mitten im Derby-Trubel der Horner Rennbahn wird eine Pferdepflegerin ermordet. Omen gerät eher zufällig an den Fall. Kurz vor dem Mord hat er nämlich noch mit der jungen Frau gesprochen, er fühlt sich für die Aufklärung verantwortlich.
Von der Stallgasse der Galopprennbahn aus führt Omen den Leser quer durch Hamburg und Norddeutschland. Er ermittelt im Schanzenviertel und auf St. Pauli, in Husum und auf Sylt. Immer mit dabei: Omens ausgeprägte Intuition namens „Sofort“.
„Sofort“ ist Omens große Stärke auf der Jagd nach den Verbrechern, erklärt Koglin: „Als Obdachloser in Hamburg hat Omen gelernt, sich auf seinen Instinkt zu verlassen. Das kommt ihm bei seinen Ermittlungen zugute. Doch ,Sofort‘ lässt ihn immer wieder im Stich und gibt zuweilen unbrauchbare Ratschläge. Das verunsichert Omen.“ Ausgebremst wird der obdachlose Ermittler zudem von der blanken Angst um sein Leben: „Auch wenn er scheinbar nichts zu verlieren hat: Omen liebt sein Leben“, sagt Koglin. Wie er lebt, habe Omen sich schließlich selbst ausgesucht – ohne festen Wohnsitz, ungebunden, frei.
Koglin hat ein eher romantisches Verständnis von Omens Leben auf der Straße. Er sieht seinen Omen in der Reihe einer Jahrtausende alten Tradition nomadischen Lebens: „Wandermönche, Zigeuner – schon immer gab es Menschen ohne feste Behausung. Im Zen-Buddhismus machen sich die erfahrensten Geistlichen auf den Weg, um ihren Horizont zu erweitern.“ Auf dem Weg – dort sieht Koglin auch Omen: „Wer ständig unterwegs ist, entwickelt die Fähigkeit einer ganz neuen Wahrnehmung.“ Mit „offenen Kinderaugen“ streife der Held durch die Stadt.
Die Pferdesport- und Geldwäscherszene, in die der Krimi eintaucht, ist Omen eigentlich fremd. Er ist weder adelig noch ein besonderer Pferdefreund, und vor der Gier im Zockermilieu fürchtet er sich auch. Eigentlich will Omen sowieso nur seine Ruhe haben.
Zwischen den ersten Ideen und dem fertigen Buch liegen „mehr als 30 Jahre“. Zeit, die Koglin für Einblicke in die Schauplätze und persönliche Erfahrungen nutzte – auf der Straße und der Rennbahn.
Seit 30 Jahren verpasst Koglin kaum ein Derby der Galopprennbahn Hamburg-Horn: „Das ist eine unheimlich spannende Veranstaltung: Der internationale Pferde-Adel mit Derbyhüten trifft auf Horner mit Plastikstühlen.“ Die Alles-oder-Nichts-Stimmung zieht Koglin in ihren Bann. Hier leuchtet das Glück nicht vom Himmel, sondern es galoppiert und versucht über die Gier zu triumphieren – so beschreibt Koglin die Derby-Atmosphäre. Auch der Autor riskiert hier regelmäßig ein paar Euro: „Sonst bin ich kein Zocker. Aber einmal im Jahr ist das schon in Ordnung, da tut das Verlieren nicht allzu weh.“
Zu Koglins gezügelter Leidenschaft für Rennwetten kommt Insiderwissen aus der Pferde-sportwelt: „Ich habe mal einen Traber namens Catastrophe mitbesessen.“ Auf einer Party ließ er sich überreden, ein Fünftel eines ungeborenen Pferdes zu erstehen. Nach drei Jahren Aufzucht und Training startete das Tier bei Trabrennen. „Catastrophe hat elf von zwölf Rennen, bei denen er angetreten ist, gewonnen“, sagt Koglin noch immer stolz. Auch die Zeit als Pferdebesitzer und die Erlebnisse mit Catastrophe trugen zu der Entwicklung der Kulisse seines Krimis bei, der – keine Frage – in Hamburg spielen sollte.
In die Hansestadt kam der gebürtige Schleswig-Holsteiner Michael Koglin vor fast 35 Jahren. Nicht ganz freiwillig: Als Jugendlicher engagierte er sich in seiner Heimat Büdelsdorf für eine Schülerzeitung, schrieb politische Artikel. „Die Themen waren damals Selbstbestimmung und sexuelle Befreiung“, erzählt der heute 52-Jährige. Mit seinen Texten handelte er sich ein Schulverbot für Schleswig-Holstein ein. „Um mein Abitur machen zu können, musste ich mit 16 Jahren mein Elternhaus verlassen und nach Hamburg ziehen.“ Seitdem lebt und arbeitet der freie Autor und Journalist hier.
Mehr als 20 Bücher veröffentlichte er bisher. Darunter einen Kurzgeschichtenband, in dem Omen sein literarisches Debüt gab. In der Reihe der „Schwarzen Hefte“ des Hamburger Abendblattes tauchte er ebenfalls hin und wieder auf. Die positiven Rückmeldungen von damals haben Koglin ermutigt, die Figur Omen weiterzuentwickeln und ihn den ersten Kriminalfall lösen zu lassen. Dabei gibt Omen nicht den glatten Sympathen, sondern benimmt sich bisweilen recht ungehobelt. So bezeichnet er sich selbst kritiklos als „Penner“. Ein Begriff, den Obdachlose oftmals als beleidigend empfinden. „Omen ist ein selbstironischer Typ“, erklärt Koglin. „Und er hat Selbstbewusstsein. Er registriert die Wahrnehmung anderer und dreht sie.“ Omen würde es vielleicht so erklären: „Das ist Penner-Philosophie. Gar nichts davon musst du glauben. Gott sei Dank denk ich ja nicht so viel.“