Ständchen für den Ex-König der Schwarzfahrer

Ehrensache, so ein Geburstagsfest zum 65. von Hinz&Künztler Uwe Dierks. Schließlich war er vom ersten Tag an als Verkäufer dabei

(aus Hinz&Kunzt 183/Mai 2008)

Glücklich, aber ein bisschen müde, schneidet Uwe Dierks Stücke von seiner Geburtstagstorte: In seinen 65. hat er kräftig reingefeiert
Glücklich, aber ein bisschen müde, schneidet Uwe Dierks Stücke von seiner Geburtstagstorte: In seinen 65. hat er kräftig reingefeiert

65 Jahre alt ist er geworden: der Hinz&Kunzt Verkäufer Uwe Dierks, der von Anfang an dabei ist. So gab es für ihn einen kleinen Geburtstagsempfang, ausgerichtet von Hinz&Kunzt und der Rathauspassage unter dem Rathausmarkt, wo Uwe seinen Verkaufsplatz hat. „Du weißt ja, wir machen das nicht für jeden. Aber du bist nun mal der einzige Hinz&Künztler, der die Zeitung vom ersten Tag an verkauft hat“, beginnt Stephan Karrenbauer, Sozialarbeiter bei Hinz&Kunzt, seine kleine Rede vor Freunden und Unterstützern: „Und Uwe ist der Einzige, den ich kenne, der es geschafft hat, 3000 Mark an Gerichtskosten wegen Schwarzfahrens zurückzubezahlen. Toi, toi, toi – ich habe das damals nicht für möglich gehalten.“

Uwe Dierks nickt wissend. „Ich war der König der Schwarzfahrer“, sagt er dann halblaut. Noch etwas bewegt Stephan Karrenbauer: „Ich hätte es auch nicht für möglich gehalten, dass ich es erlebe, dass Uwe 65 wird. Als ich Uwe vor 15 Jahren kennen lernte, war er wesentlich älter.“ Uwe Dierks schaut nun sehr, sehr ernst: Es hätte alles auch anders ausgehen können. Doch zum Glück kamen Hinz&Kunzt und er und auch die Rathauspassage zusammen – auch das will gefeiert werden.

Es folgt ein Lied, dann noch eins: „Happy Birthday“ und „Viel Glück und viel Segen“. Uwe Dierks schaut leicht verlegen in die Runde. Und atmet sichtlich auf, als endlich die Gäste aufstehen, durcheinander wuseln, sich etwas zu essen holen und etwas zu trinken; nun einzeln bei ihm vorbeigehen, ihm sachte auf die Schulter klopfen: „Mensch, wie lange kennen wir uns jetzt?“ Die wissen wollen: „Und wie fühlt man sich so als Promi?“

Das Fernsehen will sogar ein Interview

Ernst und würdevoll tritt plötzlich ein Koch auf: „Die Küchenbrigade der Rathauspassage überreicht dir, lieber Uwe, diese Sonderausgabe von Hinz&Kunzt zu deinem Geburtstag.“ Eine riesige Torte, verziert mit Rosen aus Marzipan, Buttercreme, so weit das Auge reicht. Wo bitte sind die Kuchengabeln? Eine ältere Frau kommt hinzu. Sie versucht möglichst unauffällig zu Uwe Dierks zu gelangen, drückt ihm die Hand, lässt sie lange nicht los, wünscht ihm nur das Allerbeste. Schon ist sie wieder weg. „Hast du die Oma gesehen?“, wird das Geburtstagskind später sagen: „Die kommt aus Altona, kommt jeden Ersten, legt mir fünf Euro hin und holt sich ’ne frische Zeitung. Dabei hat die bei sich zwei Verkäufer, wo sie hingehen könnte!“ Um die 200 Zeitungen verkauft Uwe Dierks im Monat an seinem Platz: „Davon zwei Drittel Stamm.“

Dann ist erst mal genug mit Torte essen und Glückwünsche entgegennehmen. Das Fernsehen ist gekommen und will ein Interview mit Uwe Dierks vor echt hanseatischer Kulisse drehen. Sie nehmen ihn in ihre Mitte und stapfen los. Doch nicht diesen Aufgang! Uwe schüttelt den Kopf. Dass sich die Leute aber auch nicht auskennen! Oben auf dem Rathausplatz angekommen, wird der geeignete Platz gesucht. Schließlich soll möglichst viel Rathaus mit ins Bild.

Uwe Dierks spricht geduldig der Moderatorin ins Mikrofon, wie lange er schon bei Hinz&Kunzt ist, dass er in Wandsbek wohnt, bis hierher zum Rathaus die U1 nimmt, meistens mittags mit dem Verkaufen anfängt. Was er noch für einen Wunsch habe, will sie abschließend von ihm wissen. „Wunsch, so beruflich?“, fragt Uwe. „Na, so überhaupt“, hakt sie nach. Uwe zuckt mit den Achseln: „Na, Gesundheit. Und dass ich es noch 30 Jahre mache.“

Text: Frank Keil
Foto: Mauricio Bustamante

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