Mehr als 600 Jobcenter-Mitarbeiter fordern Bürgermeister Ole von Beust auf, die Betreuung von Langzeitarbeitslosen zur Sache der Stadt zu machen
(aus Hinz&Kunzt 183/Mai2008)
In Hamburgs Jobcentern brodelt es: Mehr als 600 städtische Behördenmitarbeiter haben Bürgermeister Ole von Beust (CDU) in einem Brief angekündigt, sie wollten nicht zur Bundesagentur für Arbeit wechseln. Das hatte Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) vorgeschlagen. Sollte er sich mit seinem Modell durchsetzen, drohen der Stadt somit erhebliche Probleme.
Noch betreuen sie in Hamburgs Jobcentern gemeinsam Hartz-IV-Empfänger: 788 städtische Beschäftigte, 762 Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit (BA) und 200 Angestellte von Ex-Bundesunternehmen wie Telekom und Bahn. Doch nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVG) die Rechtsform der Arbeitsgemeinschaft (Arge) aus Stadt und BA für verfassungswidrig erklärt hat, muss die Behörde umgebaut werden. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) hat daraufhin das „kooperative Jobcenter“ vorgeschlagen – ein Modell, das beinhaltet, dass die städtischen Arge-Mitarbeiter zur BA wechseln.
Das aber lehnen die mehr als 600 Unterzeichner des Briefes vehement ab. Als Gründe führen sie neben drohenden finanziellen Einbußen und der unsicheren Zukunft der Bundesbehörde an, deren Kultur sei „durch Überregulierung von oben gekennzeichnet“ und biete „wesentlich weniger Mitarbeiterbeteiligung“ als die Stadt.
Zudem stelle das „kooperative Jobcenter“ gegenüber dem bisher Erreichten „die schlechteste Lösung“ dar. Es sei „kundenunfreundlich, sehr bürokratisch, personalintensiver und verlagert Verantwortlichkeiten zu stark auf die BA“. Der Grundsatz der Hilfe aus einer Hand würde damit vollends aufgegeben, „doppelte Software und Aktenführung“ würden unerlässlich. Deshalb fordern die Unterzeichner den Bürgermeister auf, den Vorschlag von Scholz abzulehnen. Die Hansestadt solle stattdessen in eigener Regie die Betreuung von Langzeitarbeitslosen übernehmen.
Vorgabe des obersten deutschen Gerichts ist, dass Bund und Kommunen ihre jeweiligen Aufgaben „in eigener Verantwortung“ wahrnehmen. Das sei bei den Argen nicht gegeben, urteilte das BVG im Dezember. Laut Verfassungsgericht sind die Kommunen für Wohnkosten und „sozialintegrative Leistungen“ zuständig, die BA für die Vermittlung der Langzeitarbeitslosen in Jobs.
Mit dem „kooperativen Jobcenter“ versucht Arbeitsminister Scholz ein Konzept durchzusetzen, für das keine Gesetzesänderung nötig ist. Maßgeblich entwickelt hat es der ehemalige Geschäftsführer der Hamburger Arbeit, Detlef Scheele, seit kurzem Staatssekretär im Arbeitsministerium. Im Kern sieht sein Modell vor, dass die Jobcenter weitestgehend weitermachen wie bisher. Vereinbarungen und ein „Kooperationsausschuss“ sollen die Zusammenarbeit zwischen BA und Kommunen künftig regeln. Organisatorisch würden die Jobcenter Teil der Arbeitsagenturen, die kommunalen Mitarbeiter Angestellte der BA.
Eine Antwort von Ole von Beust lag bis Redaktionsschluss nicht vor. Derzeit beraten die CDU-regierten Bundesländer untereinander, wie sie sich zu dem Vorstoß positionieren sollen. Der scheidende Hamburger Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) hatte in der Vergangenheit wiederholt erklärt, die Stadt wolle bei der Arge mehr Verantwortung übernehmen. Auf die Arbeit der Mischbehörde hatte sich das jedoch nur wenig ausgewirkt.
Rolf Steil, Chef der Hamburger Arbeitsagentur, sagte auf Anfrage von Hinz&Kunzt: „Das Kooperationsmodell gibt es heute schon 24-mal, zum Beispiel in Passau. Warum soll es in Hamburg nicht funktionieren?“ Thomas Bösenberg, Arge-Geschäftsführer und städtischer Beamter, verwies auf ausstehende Forschungsergebnisse, die Ende des Jahres vorliegen sollen. „So viel Zeit sollte sich die Politik nehmen für eine erstklassige Lösung.“
Der Brief habe für Unruhe und Ärger unter den BA-Beschäftigten in den Jobcentern geführt, so ein Vermittler, der ungenannt bleiben will. „Es wird suggeriert, dass die Stadt der bessere Arbeitgeber ist.“
Nicht nur in Hamburg formiert sich Widerstand gegen das Modell. Das „kooperative Jobcenter“ sei „Unfug“, sagte etwa Münchens Sozialreferent Friedrich Graffe (SPD) der Frankfurter Rundschau. Es führe zu „unvorstellbarem Mehraufwand“.