Große Aufregung bei Bäckerei Junge und Hinz&Kunzt. Am heutigen Freitag ist ein gemeinsames Herzensprojekt gestartet: BrotRetter. Brot und Kuchen von gestern zu günstigen Preisen, verkauft von Hinz&Künztlern – in einem Shop in Lohbrügge.
Die Idee ist einfach und genial: Das nicht verkaufte Brot aus den Geschäften der Bäckerei Junge wird am nächsten Tag von Hinz&Künztlern zu günstigeren Preisen verkauft. Die BrotRetter, die jeden Tag die Backwaren sortieren, packen, transportieren, verkaufen und die Kunden bedienen, bekommen einen festen Teilzeit-Arbeitsvertrag.
„Wir möchten am liebsten jeden Tag Schlangen vor dem Laden haben“, sagt Niels Nattermüller, Vertriebsleiter bei der Bäckerei Junge. „Das Brot vom Vortag wird zu günstigen Preisen verkauft. Das fängt bei 29 Cent an und das teuerste Brot wird 1,29 Euro kosten. Über 90 Prozent der Ware wird nicht mehr als 99 Cent kosten.“
Das Projekt ist zunächst befristet auf ein Jahr. Dann muss sich zeigen, ob sich BrotRetter rechnet. Filialleiterin Maria Raab: „Meine Hoffnung liegt darin, dass die Kunden unsere Idee so annehmen, wie wir es uns wünschen. Und ich würde mich sehr freuen, wenn ich von den fünf jungen Männern viele dauerhaft meine neuen Kollegen nennen kann.“
Drücken Sie Sie uns die Daumen – und besuchen Sie uns in der Alten Holstenstraße 12.
Diese fünf Hinz&Künztler sind jetzt BrotRetter
Für Alexa Ionut kommt der Job bei BrotRetter genau zum richtigen Zeitpunkt. Denn demnächst wird der 28-jährige Rumäne zum zweiten Mal Vater. Hinter ihm liegt eine harte Zeit: Lange war er in seiner Heimat arbeitslos, weil er krankheitsbedingt nicht schwer körperlich arbeiten kann. Er schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch. „Ich habe ein bisschen Respekt, aber die Einweisung hat schon super geklappt“, sagt Alexa. „Ich bin sehr happy, dass ich jetzt hier arbeiten kann. Und die Brötchen schmecken super.“
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Vor drei Jahren lernten wir Plamen „Paul“ Dochev im Winternotprogramm kennen. Inzwischen hat der gelernte Ingenieur glücklicherweise wieder eine Wohnung. Bei den BrotRettern wird der 48-jährige Bulgare einer von zwei Fahrern sein, die morgens die Ware in die Filiale bringen. „Ich bin zufrieden und auch ein bisschen stolz“, sagt Plamen, den alle Paul nennen. „Um 7 Uhr morgens anzufangen, ist kein Problem für mich. Ich habe auch schon als Reinigungskraft gearbeitet, da musste ich um 4 Uhr aufstehen.“
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Gar nicht lange her, da musste Vasile Raducan mit seiner Familie unter schlimmen Bedingungen hausen: in einem Zimmer mit zehn Menschen. Miete: 150 Euro pro Matratze. Als seine Tochter schwer erkrankte war der 29-jährige Rumäne verzweifelt: Er war nämlich nicht krankenversichert. Diese Unsicherheit ist nun vorbei: „Es ist ganz toll, dass ich jetzt wieder eine Arbeit habe und krankenversichert bin“, sagt Vasile. „Jetzt fühle ich mich wieder wie ein richtiger Mensch.“ Und wer eine Arbeit hat, findet natürlich auch leichter eine Wohnung.
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Adam Csizmadia ist mit 20 Jahren unser jüngster BrotRetter. Er passt schon deshalb gut ins Team, weil er in seiner Heimat Ungarn bei Spar Einzelhandelskaufmann gelernt hat. Lange Zeit konnte er wegen eines schweren Unfalls jedoch nicht arbeiten. Heute lebt er mit seiner Mutter (einer ehemaligen Hinz&Künztlerin) bei deren Freund. Auf den neuen Job freut er sich sehr: „Der erste Arbeitstag ist immer schwer, aber dann wird es nach und nach leichter. Ich will Geld sparen, damit ich mir später einmal ein Auto kaufen kann.“
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Mit 55 Jahren ist Stefan Calin der Senior unter den BrotRettern. Eigentlich versucht der Rumäne das Leben immer positiv zu sehen. In seiner Heimat war er ein erfolgreicher Geschäftsmann. Dann betrog ihn eine Mitarbeiterin und er verlor alles. Auch seine Gesundheit war angeschlagen: Stefan überstand zwei Herzinfarkte. Mit den BrotRettern ist sein Optimismus zurückgekehrt: „Das wird das erste Mal sein, dass ich in einer Bäckerei arbeite. Das ist ein richtig guter Job.“ Und demnächst wird er mit seiner Frau in eine Genossenschaftswohnung ziehen.
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Übrig gebliebenes Brot vor dem Müll retten
„Wir bieten mit dem Straßenmagazin Hamburgs Obdach- und Wohnungslosen Heimat und Beschäftigung“, so Stephan Karrenbauer, Sozialarbeiter bei Hinz&Kunzt. „Mit BrotRetter haben ehemalige Obdachlose jetzt eine echte Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt. Und das mit einer sinnvollen Initiative und einem tollen Partner!“
Genauso begeistert ist der Initiator, Junge-Geschäftsführer Tobias Schulz: „Bis in die Abendstunden können unsere Gäste in unseren Läden aus einem reichhaltigen Sortiment auswählen. Das ergibt aber leider auch eine beträchtliche Menge an nicht verkauften Backwaren. Ich konnte es kaum ertragen, dass wir jeden Tag so viel Brot übrighaben – und das, obwohl wir schon die Tafeln beliefern und viele andere soziale Projekte unterstützen.“
Mit BrotRetter gibt es jetzt endlich eine Lösung. „Wir haben eine überaus sinnvolle Verwendung für nicht verkaufte Backwaren“, so Schulz. „Und wir helfen Menschen in unserer Gesellschaft.“
Text: Birgit Müller/Simone Deckner
Fotos: Mauricio Bustamante
Wie genau funktioniert das Projekt BrotRetter? Lesen Sie hier ein Interview mit Junge-Sprecher Gerd Hofreiter.
BrotRetter, Alte Holstenstraße 12, geöffnet von Mo-Sa ab 8 Uhr bis der Vorrat reicht