Mitten in der Hamburger Innenstadt neben modernen Bürogebäuden liegt die Notunterkunft „Neue Burg“ für Transitflüchtlinge. Die Hinz&Kunzt-Jugendredaktion hat für einen Abend geholfen, Betten zu beziehen und Essen auszugeben.
(aus Hinz&Kunzt 276/Februar 2016)
Über die ersten fünf Matratzen werfen wir noch enthusiastisch das Bettlaken, spätestens bei der zehnten Matratze merken wir, wie anstrengend Bettenbeziehen sein kann.
170 Schlafplätze bietet die Flüchtlingsunterkunft „Neue Burg“ insgesamt. Dabei sind wir zu neunt, um alle Schlafplätze herzurichten. Wir, das sind Korbinian, Marlene, Florian, Anna und ich aus der Jugendredaktion und unsere Paten aus der Hinz&Kunzt-Redaktion.
„Am Anfang haben wir das zu dritt gemacht“, erzählt uns Felix Wieneke. Der 26-Jährige wurde für das von November 2015 bis März 2016 andauernde Projekt vom Kirchenkreis Hamburg-Ost angestellt und ist nun fünf Tage die Woche in der Unterkunft, die immer von 21 Uhr bis 8 Uhr am nächsten Tag geöffnet ist.
Die ganze Nacht über stehen außer Wieneke unterschiedlich viele ehrenamtliche Helfer schichtweise bereit. „Manchmal kommt es vor, dass jemand ins Krankenhaus gebracht werden muss“, erklärt Wieneke. Mittlerweile kommen regelmäßig viele Helfer, um das Projekt ehrenamtlich zu unterstützen.
Außerdem stehen immer Dolmetscher für Farsi und Arabisch bereit. Nachdem alle Betten gemacht sind, wird der Aufenthaltsraum für die Essensausgabe vorbereitet, bevor die ersten Busse mit Flüchtlingen vom Hauptbahnhof ankommen. Tische und Bänke sind aus Getränkekisten gebaut, an der Wand hängt eine bunte Lichterkette und es gibt Kakao, Tee und Suppe.
Einer der Dolmetscher fertigt noch schnell Schilder für die Essensausgabe an. Einmal auf Arabisch, einmal auf Farsi, daneben noch die kleine Zeichnung einer Teetasse. Und dann kommt auch schon der erste Bus an. Es sind
ausschließlich Männer, viele sehr jung und teilweise noch minderjährig. Auch Felix Wieneke meint: „Heute sind es wirklich außergewöhnlich viele junge Menschen.“
Nach Ausweisen und Papieren werden die Flüchtlinge bei der Ankunft hier nicht gefragt. Die meisten befinden sich auf der Weiterreise. Beim Suppeverteilen frage ich mich, welche Sprache ich sprechen soll. Doch schnell wird klar, der Großteil der Kommunikation läuft über Körpersprache. Ein Nicken, eine Handbewegung, ein Lächeln.
Nachempfinden, wie sich die Menschen wirklich fühlen, ist jedoch schwer, da für uns eine derartige Situation so fern scheint. Was jedoch zu spüren und zu sehen ist, ist die Dankbarkeit. Ein Familienvater habe einmal mithilfe eines Dolmetschers eine Rede gehalten, in der er seine Dankbarkeit und seine Anerkennung
ausgesprochen hat, berichtet Wieneke. Dies sei für ihn ein sehr besonderer und berührender Moment gewesen.
Hier in der Notunterkunft „Neue Burg“ merkt man, was Realität ist: Menschen, die von weit herkommen und einen Ort brauchen, um Zuflucht zu finden. Und Menschen, die Menschen helfen, einfach weil Menschlichkeit darauf basiert. Ob beim Bettenbeziehen oder bei der Essensausgabe, man hat nicht das Gefühl, außergewöhnliches Engagement zu zeigen. Es fühlt sich ganz selbstverständlich an, füreinander da zu sein.
Gerade wenn man noch am Anfang vom Leben und Beruf steht, fragt man sich oft, was man in Zukunft Sinnvolles machen sollte, um wirklich glücklich zu werden. Die Arbeit, die in der Notunterkunft „Neue Burg“ geleistet wird, ist nur ein Beispiel für eine sinnvolle Aufgabe. Egal ob Flüchtlingsunterkunft, Obdachlosenstätte oder
Altersheim, es gibt so viele Möglichkeiten, Menschen zu helfen und Sinnvolles zu tun.
Text: Jette Clasen*
Fotos: Mauricio Bustamante
Wer ehrenamtlich in der Neuen Burg mithelfen möchte, melde sich unter hilfe@kirche-hamburg-ost.de
*Jette ist 17 Jahre, macht Abitur auf dem Kopernikus Gymnasium in Bargteheide. Einen Berufswunsch hat sie noch
nicht. Als Rentnerin möchte sie aber Vorlese-Oma werden.