Hamburger Galerien unterstützten mit einer Verkaufsaktion Hinz&Kunzt – Besuch bei vier Kunsthändlern in der Admiralitätstraße und der Altstadt
(aus Hinz&Kunzt 178/Dezember 2007)
Die meisten Galeristen sind Idealisten und Kunstliebhaber und werden als solche nicht gerade reich. Trotzdem beschlossen sie jetzt, Hinz&Kunzt zu unterstützen: Ein Zehntel ihrer Verkaufserlöse aus der Aktion „Der Rote Punkt“ im November spenden sie dem Straßenmagazin. Beim Tag der offenen Galerien lernten Birgit Müller (Text) und Susanne Katzenberg (Fotos) vier Kunsthändler kennen.
Multiple Box. Die Galerie ist ein Türöffner für die Galerien in der Admiralitätstraße, sagt Siegfried Sander. „Wer sich hier reintraut, wagt vielleicht auch den Schritt in die zahlreichen Galerien rundherum.“
Wunderbare Fotos von Romy Schneider, Minigemälde zum kleinen Preis, witzige Zeichnungen, Fotos vom Hamburger Kiez-Fotografen Günter Zint. Ab 4,90 Euro – und vor allem: gefällig. Aber Vorsicht, Newcomer! Das Ganze ist Tarnung und der Chef ein Wolf im Schafspelz.
„Haben wir einen Termin?“, herrscht er gern mal einen forschen jungen Mann an, der in die Galerie hereinschneit und seine Mappe präsentieren will. „Dann bin ich schon mal der böse Onkel“, räumt Sander genüsslich ein. Oder: „Passt das vielleicht in mein Programm?“, faltet er den nächsten zusammen. Der Tropf hat sich dann tatsächlich vom Schaufenster täuschen lassen und nicht recherchiert, wen er da vor sich hat.
Vor zehn Jahren kam Sander aus Kassel. Na, klingelt’s? Kassel, documenta! In den 80er-Jahren arbeitete er an dem Projekt „7000 Eichen“ von Joseph Beuys mit. Später war er Mitgründer der Multiple Box in Frankfurt – mit dem Ziel, die elitäre Kunst durch hohe Auflagen zu „demokratisieren“ und bezahlbar zu machen. Heute hat er sich spezialisiert: auf Beuys und sein Umfeld, Gerhard Richter, Andy Warhol und andere Vertreter der Pop Art. Die Galerie gibt im Grunde nicht viel wieder von dem, was der Mann wirklich macht. Auch wenn bei näherer Betrachtung tatsächlich der ein oder andere Beuys in einer Vitrine auftaucht.
Galerie Robert Morat. Ein ganz anderer Typ ist Robert Morat: zugewandt und auf Debütanten abonniert. Der Galerist will zeigen, was in der Fotografie Neues entsteht. „Damit bekommen wir viel Anerkennung“, sagt der 36-Jährige. Geld verdienen lässt sich mit den Jungen jedoch nicht. „Man kann nur hoffen, dass die Künstler sich in zehn Jahren daran erinnern, dass wir sie mal ausgestellt haben …“
Das Geld ist auch ein Grund, warum Morat einen Raum dazugemietet hat und nun auch „die Lehrerpersönlichkeiten“ ausstellen will. Denn schließlich sind die Jungen und ihre Arbeiten „nicht vom Himmel gefallen“.
Und da ist Morat ein echter Coup gelungen. Sechs deutsche Fotografen zeigt er noch bis Januar, die sich Fotoform nannten und in der Nachkriegszeit Foto-Geschichte schrieben. Sogar sogenannte Vintage Prints kann er zeigen. Das sind Abzüge, die noch vom Fotografen selbst gemacht oder nach seinen Angaben entwickelt wurden.
Artfinder Galerie. Jahrelang betreute Mathias Güntner die Sammlung Falckenberg und war Leiter des Kunstvereins Harburger Bahnhof. Aber sein Traum war es, selbst Künstler auszusuchen und sie mit ihrer Handschrift zu präsentieren. 2004 gründete Mathias Güntner die Galerie „artfinder“ in der Admiralitätstraße. Zwölf Künstler betreut er. Die meisten jung, die meisten noch nicht bekannt. Thorsten Brinkmann, derzeit ein Senkrechtstarter, ist da eine Ausnahme und ein Segen für den Galeristen. Güntner will sich und seine Künstler nicht auf ein Medium wie Skulptur, Fotografie, Video, Malerei festlegen. Und jeder seiner Künstler soll auch die Räume der Galerie mitgestalten.
Ursprünglich ist die Galerie lichtdurchflutet, jetzt hat Brinkmann Wände in den Raum eingezogen und ihn in eine enge, dunkle Kammer verwandelt. In der Mitte eine Skulptur aus spießigen Holzbänken auf einem abgetretenen Teppich. Die Fotos an den Wänden gemahnen an Selbstporträts alter Meister. Irritierend: Auf allen Bildern ist sein Kopf verhängt. Und so wirkt die Galerie wie eine spießige Folterkammer. Ein Besucherkind, das von seinen Eltern mitgenommen wurde zur Ausstellung, scheint diese Assoziation nicht zu haben. Gelangweilt thront es oben auf der Bank-Skulptur und malt seine eigenen Werke. Man darf gespannt sein, was sich Brinkmanns Nachfolger Joachim Grommek einfallen lassen wird, dessen Ausstellung Güntner gerade vorbereitet.
White Trash Contemporary. Alle, die hip sein wollen, gehen nach Berlin oder New York. Bei Nils Grossien ist es umgekehrt. Zwölf Jahre lebte der Berliner in New York, damals machte er noch selbst Kunst. 2004 gründete er dort auch seine Galerie mit dem Ziel, „ein außergewöhnliches, transatlantisches Künstler-Netzwerk zu organisieren“ und „junge und unterrepräsentierte Künstler“ zu vertreten. „Kalkulierte Grenzüberschreitungen und kreative Transgressionsstrategien, die im Dialog mit etablierten Positionen stehen“ sollen das sein, sagt Nils Grossien.
Apropos Grenzüberschreitung: Einer solchen verdankt die Galerie ihren Namen. „White Trash“ ist in den USA ein Schimpfwort und heißt so viel wie „weißes Gesindel“. Eines Nachts hatten die Grossiens Freunde da und feierten, es wurde wohl etwas lauter. Plötzlich standen die Nachbarn vor der Tür und pöbelten: „You are real Euro Trash!“, also europäisches Gesindel.
Zurück in Deutschland eröffnete er bei der Nikolaikirche in Hamburg eine „abgerockte Straßengalerie“. In die Admiralitätstraße 71 zog er erst in diesem Jahr. Gerade hatte Grossien eine Premiere: Eva&Adele, das schrille Society-Pärchen und quasi eine Living Performance, stellte zuerst bei ihm aus. Grossien kennt die beiden schon seit Jahren, „aber ich wusste nicht, dass die auch malen“. Jetzt kommt der Edwin-Scharff-Preisträger 2006 Michael Dörner. Da kann man nicht meckern.