„Eine Frage der sozialen Gerechtigkeit“

Reiche zahlen in Deutschland zu wenig für die Allgemeinheit, meint der Hamburger Millionär Lutz Dau. Er streitet für die Vermögenssteuer – und muss sich dafür sogar beschimpfen lassen. Ein Kommentar.

(aus Hinz&Kunzt 176/Oktober 2007)

Die Initiative „Pro Vermögenssteuer“, der ich mich angeschlossen habe, bestand aus vermögenden Leuten, die sich für die Vermögenssteuer ausgesprochen haben. Einige wollten nicht mit ihrem Namen für die Sache einstehen. Im Nachhinein verstehe ich warum. Denn ich wurde oft in Diskussionen als „Spinner“ oder „weltfremder Verrückter“ bezeichnet und habe viele Briefe mit Beschimpfungen erhalten. Ein junger Reicher ist von seiner Familie sogar so unter Druck gesetzt worden, dass er seine Unterstützung zurückgezogen hat.

Steuern sind dafür da, dass der Staat seine öffentlichen Aufgaben erfüllen kann. Die Frage ist immer nur, was man besteuert. Durch die Mehrwertsteuer zum Beispiel werden Arme oder Rentner überproportional belastet, weil sie die ja voll zahlen müssen. Man muss sich vor Augen führen, wie viel Prozent von seinem Einkommen ein Hartz-IV-Empfänger an Steuern zahlt und wie sehr die Reichen hierzulande gehätschelt werden. Das ist heftig!

Als ich studiert habe, interessierte die Vermögenssteuer niemanden ernsthaft. Die Debatten kamen nur auf, weil die verschiedenen Vermögensarten unterschiedlich stark zur Vermögenssteuer herangezogen wurden. Das hat das Bundesverfassungsgericht dann für verfassungswidrig erklärt (siehe Info-Block Seite 23). Die Aussetzung der Steuer war ein Steuergeschenk an Wohlhabende, und das muss zurückgenommen werden!

Der Normalzustand müsste ganz klar sein, dass private Vermögen besteuert werden. Und über das Vermögen der Aktionäre und Unternehmer müssten auch die Unternehmensvermögen besteuert werden. Über Ausnahmen oder Sonderregelungen könnte man dann reden. Aber die Gesellschaft ist kein luftleerer Raum. Sie lebt davon, dass alle in irgendeiner Form friedlich miteinander sind, es muss eine gewisse Balance bestehen. Die besteht dann nicht, wenn die Wohlhabenden nicht ihren angemessenen Teil zu den Gemeinschaftsaufgaben leisten. Die Vermögenssteuer ist eine Gerechtigkeitsfrage und auch eine Überlebensfrage. Denn auf Dauer kann das nicht gut gehen, wenn soziale Kreise unterschiedliche Meinungen haben, wie die soziale Balance zu halten ist.

Was die Argumente gegen die Vermögenssteuer angeht: Wenn Sie heute etwas machen, dann kommt gleich: „Das würgt unseren Aufschwung ab.“ Das ist doch kein Argument! Es soll nur für mehr soziale Gerechtigkeit gesorgt werden. Und was hat die denn bitte mit dem Aufschwung zu tun? Es geht nicht darum, dass der Staat mehr Geld bekommt. Das Geldaufkommen des Staates soll nur gerechter verteilt werden. Letztendlich ist das Problem nicht nur die Vermögenssteuer: Alle unsere Steuern sind so durcheinander, dass keiner mehr durchschaut. Nötig wäre eine wirkliche Steuerstrukturreform, die von allen getragen wird.

Ich bin gar nicht dagegen, dass es Ungleichheit gibt, so ist eben unsere Gesellschaftsstruktur. Ich bin auch nicht für Gleichmacherei! Ich meine nur, dass diejenigen, die privilegiert sind, ein ganz kleines bisschen davon an die Gesellschaft abgeben sollten. Und es ist dringend nötig, dass Geld in die Zukunft investiert wird. Das war auch die Idee bei unserer Initiative. Wir wollten, dass die Einnahmen aus der Vermögenssteuer in einen Bildungsfonds eingehen, damit endlich Geld da ist zur Förderung von Jugendlichen und Kindern. Denn wir vergeuden unsere Ressourcen. Diejenigen, die nichts haben, die werden nicht gefördert. Das ist unser Problem.

Dr. Lutz Dau (63)  ist Diplom-Kaufmann und hat bis Anfang diesen Jahres als Sachverständiger für die Bewertung von Grundstücken gearbeitet. Seit er Rentner ist, hat er mehr Zeit für sein soziales Engagement, zum Beispiel für die Dr.-Dau-Stiftung, die Bildungsprojekte für Kinder und Jugendliche unter anderem in Kolumbien und Rumänien unterstützt. „Sie können mit wenig Geld erstaunlich viel erreichen“, sagt er. Für seinen Einsatz für die Wiedererhebung der Vermögenssteuer erhielt er 2003 von Hinz&Kunzt den „Gut, Mensch!“-Preis. Weil er entstehende Stadteile und den Hafen mag, ist er vor kurzem in die HafenCity umgezogen.

Die Vermögenssteuer wird in vielen Ländern der Welt auf Geldvermögen und Grundbesitz einmal im Jahr erhoben. In Deutschland wurde sie zuletzt 1996 eingezogen und brachte den Bundesländern 4,62 Milliarden Euro ein, 1991 waren es 3,4 Milliarden Euro. Der Steuersatz lag bei maximal einem Prozent. Weil Grundbesitz im Vergleich zu Bargeld weniger besteuert wurde, erklärte das Bundesverfassungsgericht die Berechnungsgrundlagen der Vermögenssteuer im Juni 1995 für verfassungswidrig. Anstatt diese Grundlagen anzupassen, beschloss die damalige Bundesregierung unter Helmut Kohl (CDU) daraufhin, die Vermögenssteuer zum Januar 1997 auszusetzen. Seitdem wird sie nicht mehr erhoben, die gesetzlichen Grundlagen bestehen aber weiterhin.

Gegner der Steuer verweisen auf die Belastungen für Unternehmer, da eine Vermögenssteuer auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten gleich hoch bliebe. Zudem würden die Einkünfte, aus denen ein Vermögen sich zusammensetzt, ja ohnehin besteuert. Befürworter wie die Gewerkschaften argumentieren, eine Vermögenssteuer sei sozial gerechter, weil Vermögende mehr zu den staatlichen Aufgaben beitragen sollten als Arme. Außerdem verzichte der Staat durch die Nichterhebung der Steuer jedes Jahr auf Milliardenbeträge, die dazu beitragen könnten, den desolaten Zustand vieler öffentlicher Haushalte auszugleichen.

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