Im laufenden Jahr wurden in Hamburg schon über eine halbe Million Mahnungen verschickt und Tausende Stromsperren verhängt. Linken-Politikerinnen sprechen von einem „stillen sozialen Skandal“. Rekord-Zahl von Stromsperren bundesweit.
Bis zum Ende des dritten Quartals wurde bereits 4680 Haushalten in Hamburg der Strom abgeklemmt, weil sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Das geht aus einer Antwort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage der Linken hervor. Der Grundversorger Vattenfall verschickte bis Ende September dieses Jahres über eine halbe Million Mahnungen (521.448).
Der durchschnittliche Strompreis ist seit der Liberalisierung des Strommarktes 1998 deutlich gestiegen: Zahlte ein Privathaushalt in Deutschland 1998 noch 17,11 Cent pro Kilowattstunde (kWh), waren es Anfang 2015 schon 28,81 Cent/kWh. Das entspricht einer Steigerung von rund 68 Prozent.
Die durchschnittliche Stromrechnung für einen 3-Personen-Haushalt belief sich Anfang 2015 auf 84 Euro/Monat. Vor zehn Jahren waren es 54 Euro, meldet das unabhängige Verbraucherportal strom-report.de.
„Viele Haushalte können sich die steigenden Kosten einfach nicht mehr leisten“, sagte Inge Hannemann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken. Die als „Hartz IV-Rebellin“ bekannte gewordene Hannemann sprach im Hinblick auf die Tausende Stromsperren von einem „stillen sozialen Skandal“.
Die Partei fordert, dass bei Hilfeempfängern generell die Energiekosten übernommen werden. „Energiesperren, wie sie in Hamburg tausendfach verhängt werden, können in der Konsequenz bis zur Obdachlosigkeit führen“, warnte Linken-Fraktionsvorsitzende Cansu Özdemir. Der Senat verharmlose das Problem seit Jahren.
Energieversorger können schon bei einem Zahlungsrückstand von 100 Euro den Strom abklemmen, so die Verbraucherzentrale Hamburg. Durch die Maßnahme werden die Betroffenen mit weitere Kosten belastet: 119 Euro berechnen Stromversorger für die Sperrung und den erneuten Anschluss. Bundesweit lag die Zahl der Stromsperren im vergangenen Jahr bei rund 352.000 – so vielen wie noch nie zuvor.
Text: Simone Deckner
Foto: Petra Bork / pixelio.de