Wie schön: Billstedt bekommt einen Park. Wie schade: erst in 25 Jahren, wenn die neue Elbschlickdeponie voll ist
(aus Hinz&Kunzt 172/Juni 2007)
Man muss als Billstedter schon ziemlich dickfellig sein, um sich nicht verschaukelt zu fühlen: Hamburgs vergessener Osten soll mittels der Senatsprogramme „Aktive Stadtteilentwicklung“ und „Lebenswerte Stadt“ gerade für Familien mit Kindern attraktiver gestaltet werden – und als Erstes installiert der Senat im Quartier eine Elbschlickdeponie. Und verkauft die Maßnahme auch noch als „Geschenk“.
Es hatte so schön angefangen: In einer Zukunftskonferenz hatten 200 engagierte Bürger, Vertreter von Initiativen und Parteien Ideen zusammengetragen, wie man den Stadtteil aufwerten könnte. An 50 Terminen hatten die Aktiven zusammengesessen, in sieben Arbeitsgruppen getagt, mehr als 70 Projektideen entwickelt. Ende März, an einem strahlend warmen Wochenende, an dem jeder lieber draußen gesessen hätte, haben sie das Konvolut in einem riesigen Aktenordner ihrem Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) übergeben.
Auch die Hamburg Port Authority (HPA), wie die Behörde Strom- und Hafenbau jetzt heißt, will einen Beitrag zur „Aktiven Stadtteilentwicklung“ leisten. „Das Projekt Kirchsteinbek – vom Altspülfeld zum Naherholungsgebiet“ heißt die entsprechende Broschüre, worin den Billstedtern ein neuer Park versprochen wird. „Die Kosten, die dafür anfallen, trägt die HPA“, so deren Sprecherin Christiane Kuhrt. So weit die gute Nachricht.
Der Hammer ist allerdings: Bevor es so weit ist, wird auf dem Altspülfeld in Kirchsteinbek eine Deponie für belasteten Elbschlick gebaut. In den kommenden 17 bis 20 Jahren werden rund drei Millionen Kubikmeter angekarrt. Danach wird die Deponie geschlossen, und in etwa 25 Jahren ist dann der Park fertig.
„Nach Kraftwerk, Müllverbrennung nun für 20 Jahre eine Wüste, mit dem Osten kann man es ja machen!“, sagt Werner Dantziger, Sprecher des Arbeitskreises Elbschlickdeponie. Niemand wollte sie haben, der in Billstedt mitgeredet hat. Auch nicht der Bezirksamtsleiter: „Das ist das völlig falsche Signal an die Bewohner!“, sagt Markus Schreiber. „Und außerdem: In 20 bis 25 Jahren bin ich vermutlich tot und die meisten, die sich hier engagieren, auch.“
Bis dahin rollen täglich etwa 200 Laster zur Deponie. „Wir arbeiten gerade eine Route aus, die Wohngebiete wenig bis gar nicht belastet“, sagt HPA-Sprecherin Kuhrt. Die Anwohner kann das derzeit nicht beruhigen. Zumal die schätzungsweise 2000 Bäume, die derzeit auf dem Altspülfeld wachsen und CO2 zurück in Sauerstoff verwandeln, dann abgeholzt werden.
Überhaupt das Altspülfeld. Selbst wenn die neue Deponie gut abgedichtet werden sollte: Niemand weiß so richtig, was im Altspülfeld so alles lagert. Dantziger befürchtet, dass die Altlasten durch das Gewicht der neuen Deponie nach unten gedrückt werden – und womöglich ins Grundwasser sickern.
Die Hafenbehörde weiß inzwischen, dass sie mit den Bewohnern keine einfachen Gegner hat. Nur eine CDU-Abgeordnete ist bislang „umgefallen“. „Wir nehmen die Besorgnisse der Anwohner sehr ernst“, sagt Christiane Kuhrt. Deshalb lädt die Stadtentwicklungsbehörde zu Besichtigungstouren nach Francop ein, zu einer vergleichbaren Deponie, um den Billstedtern die Ängste zu nehmen.
Andererseits haben die HPA-Mitarbeiter in Gesprächen mit Anwohnern „schon viele Anregungen mitgenommen“. Zum Beispiel will die HPA „eventuell“ versuchen, kleine Teile der Deponie schon früher dichtzumachen und als Park zu gestalten, „wenn es technisch möglich ist“. Ein Bonbon, mehr nicht. Denn dass die Deponie kommt, ist für Christiane Kuhrt und die HPA sonnenklar. Das Planfeststellungsverfahren wird eingeleitet.
Weder die Idee von Markus Schreiber, „irgendeine Wiese in Schleswig-Holstein zu suchen, weit ab vom Schuss, nicht in einem Wohngebiet“, noch der Vorschlag des Arbeitskreises, eine Fläche im Freihafen als Deponie zu nutzen und später einen Containerstellplatz daraus zu machen, werden in Erwägung gezogen. Kuhrt: „Täglich 200 Lastwagenfuhren nach Schleswig-Holstein wären ökonomisch wie ökologisch sehr zweifelhaft, und eine entsprechende Fläche im Hafen haben wir nicht.“ Deshalb: „Es gibt keine Alternative.“