Albtraum Krankenhaus

Magen-Darm-Virus, falsche Medikamentierung und mangelnde Sauberkeit: Was Hinz&Künztler Fred Kötteritzsch im AK Harburg erlebte

(aus Hinz&Kunzt 172/Juni 2007)

Drei Wochen lang lag Hinz&Künztler Fred Kötteritzsch im Krankenhaus Großsand in Wilhelmsburg – und fühlte sich rundum gut betreut. Als er ein paar Wochen später als Notfall ins AK Harburg eingeliefert wurde, erlebte er dagegen einen Albtraum.

Ostermontag. Ich hatte so starke Schmerzen in den Beinen, dass ich die Notärztin alarmierte. Diese ordnete eine dringende Vorstellung in der Gefäßklinik AK Harburg an.

Also besorgte ich mir am nächsten Tag eine Überweisung von meinem Hausarzt und begab mich auf den Weg dahin. Ab Harburg Rathaus merkte ich, wie meine Luft immer schlechter wurde. Der Portier schickte mich sofort zur Notaufnahme. Dort wurde ich erst mal untersucht. Dies dauerte elf Stunden, die ich auf dem Flur der Notfallaufnahme verbrachte. Da wurde dann entschieden, mich auf die Herzstation zu verlegen. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis ich ein Zimmer bekam.

Der Grund: Die Schwestern waren im Stress, weil auf der Station ein Magen-Darm-Virus herrschte. Aber ich hatte auch das Gefühl, dass es sowieso wenig Pflegepersonal gab, vermutlich aus Kostengründen. Im Krankenhaus Großsand, in dem ich vor einigen Wochen lag, war das jedenfalls anders gewesen.

Richtig sauber war es auf der Herzstation nicht. Die Fensterbänke und -rahmen waren bestimmt ein halbes Jahr nicht mehr geputzt worden. Über den Staub im Zimmer und Dreck in den Ecken will ich gar nicht sprechen. Kein Wunder: Die Putzfrauen sagten, sie hätten nur drei bis fünf Minuten Putzzeit pro Zimmer. Und das in einem Krankenhaus!

An einem Abend warteten wir – ich lag auf einem Vierbettzimmer – auf unser Abendbrot. Um 19 Uhr kam dann endlich ein Pfleger. Wir freuten uns auf unser Essen, aber der wollte nur das dreckige Geschirr abräumen. Man hatte uns einfach vergessen. Ich frage mich nur, ob man es nicht merkt, wenn man vier Tabletts übrig hat.

Gut, das ist nicht schlimm. Aber die Sache mit den Medikamenten war nicht ganz so harmlos. Morgens, mittags und abends bekamen wir unsere Tabletten einzeln eingeschweißt von der Schwester. Ich hatte mitgekriegt, wie die Ärztin sagte, sie wolle die Dosis eines Medikaments von 30 auf 40 Milligramm erhöhen. Die Schwester kam – und brachte das Medikament. Zum Glück sah ich es mir an: Die Dosis war nicht auf 40 Milligramm erhöht, sondern um 40 Milligramm. Ich sagte das der Schwester – die kümmerte sich aber nicht darum. Auch die nächsten beiden Tagen bekam ich die überhöhte Dosis. Erst als ich nochmals darum bat, es endlich mal in der Akte zu ändern, klappte es.

Als Diabetiker muss ich Insulin spritzen, Langzeit- und Kurzzeitinsulin. Und dann gab mir die Schwester zweimal dasselbe, nämlich Kurzzeitinsulin. Ich sagte noch zu ihr: Aber ich brauch doch Kurzzeit- und Langzeitinsulin! Aber sie war wohl zu sehr im Stress. Ich spritzte mir also das, was sie mitgegeben hatte. Nachts wachte ich schweißgebadet auf und war total unterzuckert.

Ein paar Tage später lag ein Zettel da: „Bitte nüchtern bleiben, morgen Blutentnahme.“ Wie angekündigt kam am nächsten Morgen die Schwester zum Blutabnehmen. Sie stach mir die Nadel in die Vene und wollte ihre Ampulle ansetzen, da bekam ich den Namen auf der Röhre zu lesen. Da stand etwas von Irmtraut Sowieso. Ich sagte zur Schwester: „Nur das nicht, so heiße ich nicht.“

Sie war erschrocken und sagte nur, dann habe sie wohl das Tablett vertauscht. Sie wollte schnell die richtige Röhre holen. Dabei stellte sich dann heraus, dass man mir gar kein Blut abnehmen wollte. Bei mir sollten die Lunge und die Prostata untersucht werden, auf diese Termine wartete ich schon fünf Tage.

Bei der Arztvisite sprach ich den Doktor noch mal darauf an. Der versprach, sich darum zu kümmern. Siehe da, es klappte. Erst der Lungenfunktionstest und von da zur Prostata-Untersuchung. Dort sagte man mir allerdings, dass ich wieder zurück auf die Station müsste. Der Termin sei verschoben auf Montag (es war Freitag!), weil man auf der Station vergessen hatte, eine Urinkultur anzulegen. Nun hatte es mich in der Nacht von Samstag auf Sonntag mit Durchfall erwischt – ich hatte ihn nun also auch, den Magen-Darm-Virus, der hier grassierte.

Quarantäne bedeutet: Besuch nur mit Mundschutz und Handschuhen. Das Zimmer darf nicht mehr verlassen werden. Mein Termin wurde von Montag auf Mittwoch wieder verschoben. Zwischenzeitlich wurde wieder eine Mahlzeit vergessen. Aber bei dem Essen war das nicht so schlimm, es schmeckte sowieso nicht. Das war in Großsand ganz anders gewesen: Vielleicht auch deshalb, weil dort das Essen noch im Hause zubereitet wurde.

In Großsand schien mir übrigens fast alles anders und besser: Die Zahl der Krankenschwestern war deutlich höher, die Zimmer waren sauberer und in einem ganz anderen Zustand: In Großsand hatte jedes Zimmer ein kleines Badezimmer mit Dusche. Im AK Harburg gab es nur ein Badezimmer mit Klo auf dem Zimmer und zwei Duschen für die gesamte Station.

Ich möchte noch einmal eine Lanze für die Schwestern und Ärzte im AK Harburg brechen: Die waren sehr engagiert. Ich hatte nie das Gefühl, dass sie aus Gleichgültigkeit die Fehler machten, sondern weil sie am Rande ihrer Belastbarkeit waren.


„Verkettung unglücklicher Umstände“

Mathias Eberenz, Pressesprecher der Asklepios Kliniken, erklärt, was schief gelaufen ist

Eins muss man sagen: Das Unternehmen Asklepios Kliniken, zu denen das AK Harburg gehört, hat die Kritik von Fred Kötteritzsch nicht auf die leichte Schulter genommen. In einem dreiseitigen Schreiben nimmt Pressesprecher Mathias Eberenz Stellung. Er bedauert „die Verkettung unglücklicher Umstände“. Denn vom Magen-Darm-Virus seien nicht nur die Patienten betroffen gewesen, sondern auch das Pflegepersonal, sodass die Klinik mit Leihpersonal arbeiten musste. Diese „selbstverständlich examinierten“ Kräfte mussten „ebenso mit der nicht alltäglichen Situation umgehen wie die Patienten“. Außerdem seien am Ostermontag 80 Patienten in die Notaufnahme gekommen, deshalb habe sich die Wartezeit für Fred Kötteritzsch und andere Patienten verlängert.

Eberenz räumt ein, dass im Computer eine falsche Dosierung für ein Medikament eingegeben wurde und dass diese falsche Dosis nur deshalb nicht verabreicht wurde, weil Fred Kötteritzsch selbst darauf hinwies. Tatsächlich sei es „in der Klinik zu einem Kommunikationsfehler gekommen, den wir sehr bedauern“.

Die Unterzuckerung durch eine falsche Insulinverabreichung sowie die versuchte Blutentnahme mit dem falsch beschrifteten Röhrchen haben sich laut Eberenz nicht nachvollziehen lassen.

In Sachen Sauberkeit ist Eberenz guten Mutes, da die Klinik mit Personal der hauseigenen Firma CleaniG zusammenarbeitet. „Dies sichert uns einen hohen Qualitätsstandard, ermöglicht eigene Fortbildungen und eine schnelle Reaktion auf Probleme“, so der Pressesprecher.

Die Fehler bei der Medikamentenvergabe sollen in Zukunft durch ein neues Kontrollsystem minimiert werden: „Das System bietet prinzipiell eine größere Sicherheit, weil mindestens zwei Personen auf die Arzneimittelverordnung schauen.“

Birgit Müller

Weitere Artikel zum Thema