Mit Schokolade lernen: Eine Schülerfirma am Gymnasium Altona vermarktet Kakao von Kleinbauern in der Dominikanischen Republik
(aus Hinz&Kunzt 168/Februar 2007, Jugendausgabe)
Als Myriam 16 war, fing sie bei Fairchoc an, weil noch Leute für eine Reise in die Dominikanische Republik gesucht wurden. Nun, fast vier Jahre später, ist die Schülerin vom Gymnasium Altona immer noch dabei – und war mittlerweile schon zwei Mal in dem Inselstaat in der Karibik, wo sie die Lebensverhältnisse der Kakaobauern kennengelernt hat. Seit gerade drei Wochen ist sie wieder da, nach drei Monaten Volontariat, und wir sitzen im Café. Sie hat sich – natürlich – einen Kakao bestellt und erzählt von ihrer Reise.
Vom ständigen Lärm auf den Straßen. Von Motorradtaxis, die Fahrgäste für umgerechnet wenige Cents überall hinbringen. Vom Standardgericht Huhn mit Reis, das es zweimal am Tag gab. Strom funktionierte an einigen Tagen nur drei Stunden. Genauso unsicher war die Wasserversorgung, aber auch davon berichtet Myriam mit Gelassenheit. Wenn man kein geduldiger Mensch war, wird man einer in der Dominikanischen Republik. Zu Verabredungen kommt man mindestens eine Stunde zu spät, und wenn es regnet, kommt man gar nicht.
Viel Armut hat Myriam in dem karibischen Paradies gesehen. „Ich bin mit einem anderen Bewusstsein zurückgekommen, ich schätze heute vieles, was für mich sonst alltäglich war.“ Und wie kam Myriam nun in das Land, das so geduldig macht? Durch Fairchoc, eine Schülerfirma, die 2003 am Gymnasium Altona gegründet wurde, im Zuge eines Wettbewerbs des Deutschen Institutes für Wirtschaft.
Jürgen Reißner von der „Weitblick“-Arbeitsstelle für Frieden und Gerechtigkeit an der Christianskirche Ottensen hatte das Projekt an die Schule herangetragen. Die Firma sollte Jugendliche über fairen Handel aufklären und dafür werben. Im ersten Jahr wurden Seminare und Vorträge abgehalten, Fairchoc war präsent auf Straßenfesten, verkaufte fair gehandelte Kakaoprodukte. Parallel entwickelte sich der Kontakt zu der Kakaobauern-Kooperative CONACADO in der Dominikanischen Republik, zu der etwa 9000 Kleinbauern gehören. CONACADO schützt die Bauern vor Ausbeutung, indem sie mehr zahlt, und sorgt gleichzeitig für höhere Qualität der Produkte.
Nach einem Jahr endete das Projekt, die Zukunft von Fairchoc war ungewiss. Aber dann besuchten die Schüler ihre Handelspartner in der Dominikanischen Republik. Danach stand fest: „Wir machen weiter!“ Die jungen Unternehmer hatten viel gesehen: vom Anbau der Kakaopflanzen bis zum Verpacken der fermentierten und getrockneten Frucht. Und sie wussten nun sogar, in welchem Winkel man das Messer ansetzen muss, um die Pflanzen zurechtzustutzen.
Zurück in Hamburg, wurde die Firma Fairchoc neu gegründet. Und die Schüler regten eine Partnerschaft zwischen dem Gymnasium Altona und der höheren Schule von Yamasá an, das sie während ihrer Reise besucht hatten. Während ihrer Zeit als Volontärin hat Myriam mit zwei anderen Freiwilligen von Fairchoc viel für den Kontakt zwischen den beiden Schulen getan. Zum Beispiel wurde ein Theaterprojekt auf den Weg gebracht, das wie eine Art Telenovela funktionieren soll, eine Szene wird dort geschrieben, die nächste hier, wie beim Pingpong.
Fairchoc hat inzwischen Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit und Marketing, Finanzen und Kundenbetreuung. Einige Schüler sind fürs operative Geschäft zuständig, andere amtieren als Vorstand. Gerade in letzter Zeit gab es viel zu besprechen, denn Fairchoc hat zusammen mit der Bremer Schülerfirma Kursiv-DESIGN und mit Unterstützung der Fairhandelsorganisation gepa einen eigenen Schokoriegel herausgebracht – mit Kakao von ihrem Handelspartner CONACADO. Fairoco heißt der Riegel, den Vertrieb der insgesamt 10.000 Stück teilen sich beide Firmen. Drei Läden führen Fairoco schon, der Riegel läuft sehr gut, wie Myriam versichert.
Nie hätte sie gedacht, welchen Einfluss Fairchoc auf sie haben würde. Selbstsicherer sei sie geworden, und durch den ständigen Kontakt mit anderen Menschen auf Präsentationen und Veranstaltungen habe sie Erfahrungen gewonnen, die im Berufsleben von Vorteil sein könnten. „Alles, was ich jetzt mache und für meine Zukunft plane, kommt ein bisschen von Fairchoc“, sagt Myriam. Und dass es ihr ein bisschen schwerfällt, „das Baby abzugeben“ an die Jüngeren, die nun nachwachsen.