„Wer in Hamburg aus der Tür tritt und einen Kilometer geht, wird auf eine Flüchtlingsunterkunft treffen“, sagt Sozialsenator Detelf Scheele (SPD). Ein Blick auf unsere Unterkunftskarte zeigt: Auf reiche Stadtteile trifft diese Aussage bislang nicht zu.
Der Senat sucht weiter händeringend nach Unterkunftsplätzen für Flüchtlinge. Denn täglich kommen derzeit bis zu 300 Menschen auf der Suche nach Schutz und Hilfe. Und die Zentralen Erstaufnahmen sind überfüllt. Damit möglichst niemand auf der Straße schlafen muss, werden inzwischen Zeltlager errichtet. 170 Zelte habe das Deutsche Rote Kreuz (DRK) inzwischen für die Unterbringung von Flüchtlingen an verschiedenen Hamburger Standorten aufgestellt, sagt DRK-Sprecher Rainer Barthel. „Unser Lager ist damit leider erschöpft.“ Und aus den Bezirken heißt es inzwischen, dass auch Wohncontainer inzwischen Mangelware sind.
Deswegen sollen auf dem Gelände der Stadtteilschule Langenhorn, deren Betrieb mit dem Schuljahrsende am kommenden Mittwoch ausläuft, zügig hunderte Flüchtlinge untergebracht werden. Die übereilte Festlegung auf neue Standorte sorgt allerdings für Ärger in den Bezirken. Zuerst kritisierten Bezirkspolitiker in Mitte die Erweiterung der Erstaufnahme in der Dratelnstraße. „Wilhelmsburg wird über seine Leistungsgrenzen hinaus belastet“, sagte Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) im Hamburg1-Interview. Wenige Tage später verhinderten einige Anwohner in Jenfeld kurzfristig den Aufbau einer Flüchtlingsunterkunft. Sie fühlten sich überrumpelt, als das Deutsche Rote Kreuz vor ihrer Haustür mit dem Aufbau einer Zeltstadt begann. Die Innenbehörde hatte sie nicht informiert.
Für die Anwohner war der Jenfelder Moorpark Spiel-, Grill und Hundewiese in einem. „Den Park können wir dann mal knicken“, ärgerte sich eine Anwohnerin im Gespräch mit Hinz&Kunzt und sie fragt: „Warum ausgerechnet hier bei uns?“ Die steigenden Flüchtlingszahlen, würden den Behörden keinen Spielraum mehr lassen, heißt es. Die Hamburger müssten sich darauf einstellen, dass sich „bereits einen Kilometer rechts oder links von Ihrem Haus eine Flüchtlingsunterkunft befindet“, kündigte Sozialsenator Detlef Scheele vergangene Woche an. „Auch wohlhabende Menschen in Harvestehude können sich ihre Nachbarn nicht aussuchen, wenn die Not groß ist.“
Doch die Realität sieht noch anders aus. Ein Blick auf unsere Unterkunftskarte zeigt: Die Unterkünfte sind äußerst ungleichmäßig im Stadtraum verteilt. Vor allem in reichen Stadtteilen gibt es bislang wenige Flüchtlingsunterkünfte. Überhastet kündigte der Senat mancherorts den Ausbau der Flüchtlingsunterkünfte an. Gerade in den reichen Stadtteilen fühlten sich Anwohner übergangen und setzen sich zur Wehr. So verhindern Anwohner in Harvestehude seit Monaten den Ausbau einer Unterkunft für Flüchtlingsfamilien per Klage. Und auch in Blankenese drohen Anwohner bereits mit Klagen gegen eine Unterkunft im Björnsonweg. Jenfeld hingegen zählt zu den ärmsten Stadtteilen Hamburgs. Wann die Anwohner ihren Park zurück erhalten, ist noch offen. Die Anwohner werden trotzdem in wenigen Tagen 800 neue Nachbarn begrüßen. „Ich finde es aus humanitärer Sicht notwendig, dass wir jetzt auch hier Flüchtlinge aufnehmen“, sagt Anwohner Angelo Veltens.
Zahlreiche Hamburger unterstützen bereits die ankommenden Menschen. Die Sozialbehörde und die Diakonie bieten jeweils einen Überblick, wo sich ehrenamtliche Initiativen gegründet haben und wo die Hilfe weiterer Freiwilliger willkommen ist.
Text: Jonas Füllner
Karte: Mapbox Streets / Benjamin Laufer (technische Umsetzung)