Anschlag auf Flüchtlingsheim :
„Da hilft nur reden“

Immer häufiger werden Flüchtlingsunterkünfte Ziel von fremdenfeindlichen Attacken. In Schleswig-Holstein gab es zwei Brandanschläge innerhalb weniger Wochen – direkt hinter der Hamburger Grenze. Der Flüchtlingsbeauftragte macht die Pegida-Kundgebungen für die Entwicklung verantwortlich.

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Nicht nur in Berlin machen Rechte gegen Flüchtlingsunterkünfte mobil, auch im Norden gibt es Übergriffe.

Das Haus war gerade fertig eingerichtet, die ersten sechs Flüchtlinge sollten einziehen, da warfen Unbekannte am Montag einen Brandsatz in die neue Unterkunft in einem Escheburger Wohngebiet. Der Staatsschutz ermittelt, die Lübecker Staatsanwaltschaft geht „eindeutig von einer fremdenfeindlichen Motivation für die Tat“ aus. Obwohl die Feuerwehr schnell vor Ort war, wird es mindestens vier Wochen dauern, bis die Schäden beseitigt sind. „Wir halten daran fest, in dem Haus Asylbewerber unterzubringen“, erklärte Amtsvorsteherin Martina Falkenberg am Dienstag auf einer Pressekonferenz. Die Gemeinde hatte das Haus für mehr als 300.000 Euro gekauft, um dort Flüchtlinge unterzubringen. In dem Gebiet des Amtes Hohe Elbgeest leben rund 19.000 Menschen, unter ihnen 112 Flüchtlinge.

Der Brandanschlag ist bereits der zweite in Schleswig-Holstein innerhalb weniger Wochen. Anfang Januar hatten Unbekannte eine Rauchbombe in eine Asylbewerberunterkunft in Grabau geworfen. Zwei Flüchtlinge mussten sich im Krankenhaus behandeln lassen, die anderen kamen mit dem Schrecken davon. Für hilfreiche Hinweise hat die Staatsanwaltschaft Lübeck 5000 Euro Belohnung ausgesetzt, Erkenntnisse über die Täter und ihre Motive hat sie bislang nicht. „Wir nehmen das aber sehr ernst“, so ein Sprecher gegenüber Hinz&Kunzt.

Bundesweit zählten Flüchtlingshelfer in den ersten sechs Wochen dieses Jahres bereits 13 Anschläge auf Asylbewerberunterkünfte. Auch neue Angaben der Bundesregierung belegen, dass die Zahl der Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte dramatisch angestiegen ist: 150 rechtsextreme Straftaten, die Asylbewerberunterkünften galten, meldeten die Landeskriminalämter vergangenes Jahr, heißt es in einer Antwort auf eine Bundestagsanfrage der Fraktion Die Linke. Das sind fast dreimal mehr als 2013 (58) und sogar gut sechsmal mehr als 2012 (24.) Allein zwischen Oktober und Dezember vergangenen Jahres registrierten die Behörden 67 entsprechende Delikte: von der Volksverhetzung bis zum tätlichen Angriff mit Waffen und Brandsätzen auf die Häuser oder ihre Bewohner.

In Hamburg zeichnet sich dieser Trend zum Glück bislang nicht ab: 2014 führte die Polizei nur zwei Ermittlungsverfahren, bei denen sich die Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte richteten. 2013 war es gar keins.

Ohne die Pegida-Kundgebungen wäre diese Entwicklung nicht denkbar, meint Stefan Schmidt, Flüchtlingsbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein: „Finstere Gestalten kommen aus ihren Löchern und denken sich: ,Jetzt kann ich loslegen.’“ Von einem Stimmungswandel im Land spürt Schmidt nichts: „Die meisten Menschen fragen sich: ,Wie können wir Flüchtlingen helfen?`“ Politiker, Kirchen, Hilfsorganisationen und Medien seien nun gleichermaßen gefordert, besorgten Bürgern ihre Ängste zu nehmen und für Aufklärung zu sorgen: „Jahrelang ist die Zahl der Asylbewerber zurückgegangen. Nun steigt sie – aber nicht dramatisch.“ Politik und Verwaltung empfiehlt der Flüchtlingsbeauftragte, immer wieder das Gespräch zu suchen: „Da hilft nur: Reden, reden, reden.“

In Escheburg gibt es offenkundig einiges zu besprechen. So soll es in der unmittelbaren Nachbarschaft des in Brand gesetzten Hauses erhebliche Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen geben. „Wir haben in Escheburg kein Problem mit Asylbewerbern, aber scheinbar gibt es im Umfeld der neuen Unterkunft einen harten Kern, der Angst hat“, so Bürgermeister Rainer Bork. Diese Angst wollen Parteienvertreter den Menschen auf einer Einwohnerversammlung am 23. Februar nehmen. Nach den Erfahrungen des Flüchtlingsbeauftragten sollten dort auch Asylbewerber hinzukommen und sich vorstellen: „Wenn es den ersten Kontakt gegeben hat, ist die Angst meist weg. Man muss nur das Kennlernen zulassen.“

Text: Ulrich Jonas
Foto: Björn Kietzmann (ActionPress)