Hristo Toshev, 53, verkauft in den Alsterarkaden in der Innenstadt.
(aus Hinz&Kunzt 262/Dezember 2014)
Hristo Toshev findet die deutsche Sprache ganz schön schwierig. Dabei ist Kommunikation eigentlich nicht das Problem des Bulgaren: In einem wilden Mischmasch aus Englisch, Bulgarisch, Russisch und Deutsch redet der charmante 53-Jährige gern und viel. Irgendwie, glaubt er, versteht man sich schon, wenn man nur will.
Im Sommer hatten wir schon einmal über Hristo berichtet. Denn unser Hinz&Kunzt-Verkäufer hat eine ganz schön abenteuerliche Lebensgeschichte. Mit 22 Jahren stand der 1,90 Meter große, immer noch durchtrainierte Mann als Profitorwart zwischen den Pfosten – zehn Jahre lang spielte er in der Ersten und Zweiten bulgarischen Liga. 1989 trat er sogar im Volksparkstadion gegen den HSV an.
Anfang der 90er wechselte er in die asiatische Liga, spielte ein Jahr lang in Korea. Als er schließlich zurück nach Bulgarien zu Frau und Kind kam, hatte er ordentlich was auf der hohen Kante. „Viel Geld, viele Freunde, kein Geld, keine Freunde“, fasst er heute den folgenden rasanten Abstieg zusammen. Nach drei Monaten war alles weg. „Mafia“, sagt er knapp zu den Gründen und die Augen hinter der goldgerahmten Brille werden schmal.
Unter dem Druck zerbricht seine Familie. Als Hinz&Kunzt-Verkäufer schlägt Hristo sich durch, sammelt Pfandflaschen vor den Fußballstadien, in denen er früher spielte. Dafür schämt er sich nicht, schließlich arbeitet er, um seine Schulden abzuzahlen; Hristo ist ein ehrlicher Mensch. Aber es kränkt ihn, dass ihn die bulgarische Presse nach der Hinz&Kunzt-Veröffentlichung vorführte als den Ex-Fußball-Star, der jetzt als „Clochard“ auf der Straße liegt, wie er bitter sagt. Das sei auch schlimm für seinen Sohn Slavcho, der selbst ein erfolgreicher Torwart in Bulgarien war.
Vor allem ist es falsch, denn Hristo arbeitet – nicht nur als Hinz&Künztler. Mittlerweile hat er einen Job in seinem alten Beruf, dem Fußball. Beim Harburger Fußballclub Dersimspor arbeitet er als Torwarttrainer. Alle Altersgruppen betreut er, von den Vorschülern bis zu den ganz Großen, erzählt er und zeigt vergnügt mit der Hand, wie klein die Lütten noch sind. Es macht ihm sichtlich Freude, wieder mit seinem alten Beruf zu tun zu haben – fit genug dafür fühlt er sich allemal. Geld bekommt er für die Arbeit zwar nicht, aber eine kostenlose Unterkunft, „ein Zimmer, gut“, erklärt er.
Wenn er sich für etwas geniert, dann sind es seine schlechten Zähne; viele sind ihm ausgefallen in den harten Jahren. Dersimspor will für die Behandlung sorgen, einen Termin habe er schon, erzählt Hristo, und es ist zu spüren, dass das ein weiterer wichtiger Schritt nach vorn ist, auch wenn der Weg noch weit ist. Aber Hristo ist ein Kämpfer – mit einem großen Herzen. Das versteht man auch ohne Worte.
Hristo: Ich möchte wieder aufsteigen, ein normales Leben haben mit Familie, einer Wohnung und einer richtigen Arbeit.
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Text: Misha Leuschen
Foto: Mauricio Bustamante