Regisseurin Monika Treut :
Mädchen und Pferde in der norddeutschen Provinz

Ihren besonderen Blick auf Erotik und Sexualität nahm man Regisseurin Monika Treut in Deutschland lange übel. Nun hat sie auf dem platten Land einen neuen Film gedreht – zur Freude der Bauern. 

(aus Hinz&Kunzt 262/Dezember 2014)

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Mit ihren Filmen hatte Monika Treut zuerst ausgerechnet in den USA großen Erfolg.

Monika Treut ist immer für eine Überraschung gut. Die international bekannte Filmemacherin drehte in amerikanischen, europäischen und asiatischen Großstädten, ihre Themen sind vielfältige sexuelle Lebensformen.

Ihr neuer Film „Von Mädchen und Pferden“ ist ausnahmsweise mal nur ein bisschen „queer“, weil die Reitlehrerin und Pferdeflüsterin halt lesbisch ist. Es geht um Alex, die 16 Jahre alt ist, sich mit allen anlegt und notorisch die Schule schwänzt. Als letzte Chance soll sie auf einem Pferdehof ein Praktikum absolvieren, ordentlich mit anpacken und den Umgang mit Pferden lernen. Dort trifft sie auf besagte Pferdeflüsterin und auf ein reiches Mädchen, das ihr eigenes Pferd mitbringt. Es ist ein Film über das Erwachsenwerden und über Freundschaft, mit wenig Dialogen und schönen Bildern.

Gedreht hat Monika Treut im nordwestlichen Zipfel Deutschlands, an der Grenze zu Dänemark, direkt hinterm Deich. „Wo nichts los ist“, sagt sie. Der Bauernhof ist echt, die Bauern haben sogar mitgespielt. Überhaupt waren die meisten Schauspieler Laien aus der Gegend. „Inzwischen hat das ganze Dorf den Film schon gesehen“, sagt die Filmemacherin. „Die Bauern waren sogar mit bei den nordischen Filmtagen. Sie waren von den Bildern aus ihrer Gegend richtig begeistert.“

Sehr lieb hört sich das Ganze an. Dabei eilt der Filmemacherin ein Ruf voraus: Monika Treut, die nach dem Abi aus dem konservativen Mönchengladbach regelrecht „geflohen“ war und im linken Marburg studierte, wurde 1985 nämlich mit einem Skandalfilm berühmt-berüchtigt: „Verführung: Die grausame Frau“. Geschichte: Eine zynische Domina, die lesbisch ist, führt eine Art Bordell, in dem sie die geheimen Unterwerfungswünsche der eigentlich dominanten Männer herauskitzelt. Gefühle dürfen keine Rolle spielen. Ihre Freundin geht daran zugrunde. Gespielt wurde die Domina übrigens von einer wunderschönen Mechthild Großmann (derzeit als leicht verlebte Staatsanwältin im Münsteraner Tatort zu sehen).

Regelrecht verprügelt wurden Monika Treut und ihre damalige Film- und Lebenspartnerin Elfie Mikesch nach diesem und auch ihrem zweiten Film „Die Jungfrauenmaschine“. „Bei der Premiere sind ganze Reihen von Zuschauern aufgestanden und haben den Saal verlassen“, sagt die 60-Jährige. „Die Zeit“ schrieb: „Dieser Film vernichtet das Kino.“ Das Schlimmste: „Wir verloren durch die schlechte Kritik unseren deutschen Verleih.“

Dabei hatten Treut und Mikesch sich wie viele Feministinnen damals „nur gegen das romantische Frauenbild zur Wehr setzen wollen“: diese Frauen, die immer an ihrer Liebe litten. „Aber der Film kam wahrscheinlich zu früh“, sagt die Filmemacherin.

Die Themen Sexualität und Erotik standen lange im Mittelpunkt ihrer Filme. Umso undenkbarer für die heutige Zeit: Ausgerechnet in den USA kamen „Die grausame Frau“ und ihre anderen Filme gut an. „In Toronto, beim größten nordamerikanischen Filmfestival, haben sich mehrere Verleiher um den Film gestritten.“ Die Prügel der deutschen Kritik hatte gesessen – und so zog Monika Treut 1989 nach New York.

Für ihren Film „Father is coming“, gedreht mit Laienschauspielern, bekam sie „Superkritiken“. In Deutschland fanden Kritiker die Komödie über Künstler in New York, die eigentlich Schauspieler sein wollen, aber fürs nackte Überleben alle möglichen Jobs machen, dann wieder zu unpolitisch. „Mäkel, mäkel“, sagt Monika Treut und lacht.

Interessant an dem Film findet sie heute noch: „Die Lower East Side sieht aus wie Beirut nach einem Bombenangriff“, war aber noch nicht gentrifiziert und beherbergte die Boheme. Anfang der 1990er-Jahre war es damit vorbei. Der neue Bürgermeister Rudy Giuliani räumte auf. „Obdachlose und Arme raus aus der Stadt“, war seine Devise. Alles wurde sauber, schick und teuer. Was bedeutete, dass viele wegziehen mussten. Das tolle Lebensgefühl, das Manhattan ausgemacht hatte, killte Giuliani gleich mit.

New York wurde in der Folge tatsächlich sicherer. „Aber auf einmal war New Jersey die gefährlichste Stadt der USA“, sagt Monika Treut.

1992 ging die Filmemacherin deshalb zurück – in das wiedervereinigte Deutschland. „Das Land war nicht mehr wiederzuerkennen“, sagt sie. „Man merkte, dass die Mauer gefallen war. Wir sind über Nacht zu einer Einwanderungsgesellschaft geworden.“ Darüber war sie glücklich. „Das war ja das, was ich in New York so toll fand: Da sind ja alle Einwanderer, egal, woher man  kam. Wir hatten ja bis dahin nur unsere ‚Gastarbeiter‘.“

Lange Zeit pendelte sie noch zwischen den USA und Deutschland, unterrichtete auch an mehreren Unis. In dieser Zeit entstand auch der Film „Gendernauts“. In den 90er-Jahren war es erstmalig möglich, dass sich Frauen durch Hormontherapien und Operationen in Männer umwandeln lassen konnten. „Einige meiner Freundinnen haben diesen Prozess angefangen, das fand ich sehr interessant, zumal ich auch immer das Gefühl hatte, nicht 100-prozentig weiblich zu sein.“

Das amerikanische Trauma, ausgelöst durch den 11. September 2001, veränderte die Gesellschaft schlagartig.
„Es gab Professoren, die vor einem Krieg warnten, während ihre Studenten unbedingt kämpfen und einen Krieg wollten.“ Kritische Professoren wurden entlassen.

Vielleicht kein Zufall, dass Monika Treut in den kommenden Jahren viel in Asien drehte. Und dass sie sich wieder mehr in Deutschland verwurzelt. In dem Land, von dem sie sagt, dass es immer offener geworden sei.

Text: Birgit Müller
Foto: Dmitrij Leltschuk