Tetrapaks und Plastiktüten sind viel zu schade zum Wegwerfen. Die Berliner Materialmafia zeigt in einem Workshop, wie aus Müll Geschenke entstehen.
(aus Hinz&Kunzt 262/Dezember 2014)
Voll konzentriert beugen sich acht Köpfe über Berge von leeren Milch- und Saftverpackungen auf dem Tisch. Daraus mithilfe von Schere und raffinierter Falztechnik einen Hocker zu basteln, ist gar nicht so leicht. „Du musst den Schnitt weiter oben machen“, erklärt Simone Kellermann geduldig einem Jungen. Die Ergotherapeutin und Theaterpädagogin liebt ihre Arbeit bei der Berliner Materialmafia. Was andere wegwerfen, ist für sie eine wertvolle Ressource. „Müll ist eine reine Definitionsfrage“, findet die 44-Jährige. Kellermann hat früher im Bauwagen gelebt und dort aus finanziellen Gründen den kreativen Umgang mit Gebrauchtem gelernt. Dieses Wissen kommt ihr jetzt zugute.
Die 2011 gegründete Materialmafia holt bei Behörden, Museen oder Unternehmen nicht mehr benötigte Materialien kostenlos ab und gibt sie gegen eine Vermittlungsgebühr an Künstler, Schulen, Bühnenbildner und Bastler weiter. Die Materialspender vermindern ihre Abfallmenge und schonen die Umwelt. Vermittelt werden Farbe, Stoff, Plexiglas, Holz, Leinwände oder Rohre. In Fahrradwerkstätten holt die Materialmafia alte Schläuche ab, die sonst teuer als Sondermüll entsorgt werden.
Zweites Standbein sind Workshops zum Thema Upcycling und Umweltschutz. Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung praktischer Tipps, sondern um Bewusstseinsbildung. „Braucht die Welt wirklich noch mehr Produkte?“, fragt Simone Kellermann. „Nein, das Ziel muss sein, gar keine Abfälle mehr zu erzeugen. Auch unsere recycelten Produkte landen schließlich auf dem Müll.“ Aber vorher machen sie in ihrem zweiten Leben als Hocker oder Täschchen noch ihre Schöpfer glücklich.
Hocker: Man nehme 24 Tetrapaks, Schere, Cutter, Klebeband (durchsichtiges und doppelseitiges)
Die leeren Verpackungen müssen zunächst gewaschen und getrocknet werden. Dann wird mit gezielten Schnitten, einer einfachen Falttechnik und Klebeband aus jedem Viereck ein stabiles Dreieck geformt. Die Dreiecke werden bis zur gewünschten Hockergröße aneinander geklebt. Wer mag, klebt obendrauf ein passend zurechtgeschnittenes Stück Holz oder Teppich. Nach drei Stundenkönnen Ungeübte zum ersten Mal Platz nehmen.
Gürtel: Man nehme jede Menge Getränkeverschlüsse, Zwirn, eine Feile, eine Gürtelschließe
Für den schimmernden Gürtel braucht man ein wenig Geduld. Zunächst müssen die scharfen Kanten der Getränkeverschlüsse glattgefeilt werden, um Verletzungen zu vermeiden. Dann werden die einzelnen Teile mit Schnur oder gehäkeltem Zwirn miteinander verbunden. Zum Schluss an beiden Enden die Gürtelschließe befestigen.
Tasche: Man nehme ein Dutzend Plastiktüten, Schere, Häkelnadel
Zunächst wird jede Tüte mit einer Schere zu einem einzigen langen Streifen (0,5 bis 1 cm Breite) geschnitten. Die so entstandenen Fäden werden wie Wolle verhäkelt, bis eine Tasche in der gewünschen Form entstanden ist. Das ist ziemlich viel Arbeit, also nichts für ein Last-Minute-Geschenk.
Text: Sybille Arendt
Foto: Dmitrij Leltschuk