Das diesjährige Deutsch-Russische Kinoforum im Metropolis steht unter dem Eindruck der Spannungen zwischen Russland und der Ukraine.
(aus Hinz&Kunzt 261/November 2014)
Oleg Sentsov wird nicht kommen. Der ukrainische Regisseur, der auf der Krim geboren wurde, sitzt seit Anfang Mai in Moskau in Untersuchungshaft. Man wirft ihm „Terrorismus“ vor, er soll Anschläge auf Bahnstrecken geplant haben. Doch vermutlich nimmt ihm die russische Regierung nur sehr übel, dass er die Demonstranten des Maidan in Kiew mit der Kamera begleitet hat. Seit Monaten wartet er daher auf seinen Prozess, der sich immer wieder verschiebt. Auch Appelle von Kollegen wie Pedro Almodóvar, Aki Kaurismäki oder Mike Leigh haben nicht bewirken können, dass er wenigstens bis zu Prozessbeginn auf freien Fuß gesetzt wird.
Und so wird die Vorführung seines Filmes „Gamer“ auf dem diesjährigen Deutsch-Russischen Kinoforum ohne ihn laufen: Der Film erzählt von dem heranwachsenden Alex, der in der Welt der Computerspiele zu versinken droht. Ein wohl universelles Thema, das Eltern von Sizilien bis zum Nordkap gleichermaßen interessieren dürfte.
Der Spielfilm „Haytarma“ von Nikolaj Rybalka wiederum berührt einen heiklen Moment in der sowjetischen Geschichte: den 9. Mai 1944, als die Rote Armee die Wehrmacht von der Krim vertrieb. Und wenig später die Krimtataren, denen Stalin misstraute, nach Sibirien deportierte.
„Haytarma“ darf in Russland nicht gezeigt werden, läuft daher in der Festivalkategorie „Verboten“. Die Kategorie „Ein Frauengesicht“ zeigt Filme, die sich mit den Lebensläufen von Frauen nach dem Umbruch Anfang der 90er-Jahre beschäftigen; die Retrospektive widmet sich dem Regisseur Aleksei German: Am Ende hat der Cineast so die Gelegenheit, 20 Spiel- und Dokumentarfilme zu sehen, die wohl nie regulär in unsere Kinos kommen werden.
Doch nicht nur bewegte Bilder sind zu sehen: „Gastarbeiter in St. Petersburg“ heißt eine begleitende Fotoausstellung von Dmitrij Leltschuk, die sich mit der schwierigen Lage von Einwanderern aus Georgien oder Usbekistan in der boomenden Stadt beschäftigt. Der gebürtige Weißrusse Dmitrij Leltschuk dürfte den Lesern von Hinz&Kunzt vertraut sein: Auch für diese Ausgabe hat er für uns fotografiert.
Text: Frank Keil