Winternotprogramm :
Alle Containerplätze für Obdachlose sind schon vergeben

Zum Start des Winternotprogramms bleibt der große Andrang  aus. Bei ungewöhnlich milden Temperaturen machen viele Obdachlose offenbar weiterhin Platte. Die begehrten Containerplätze sind allerdings schon vergeben.

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Seit den frühen Morgenstunden standen Obdachlose für einen Containerplatz vor der Tagesaufenthaltsstätte an.

Am Wochenende öffnete das Winternotprogramm für Obdachlose seine Türen. 850 Plätzen will die Stadt in diesem Jahr in der kalten Jahreszeit bereitstellen. Es wird das größte Hilfsprogramm seit dem Start 1992. In den frühen Morgenstunden des 1. November wurden in der Tagesaufenthaltsstätte (TAS) in der Bundesstraße die besonders begehrten Plätze in Wohncontainern vergeben. Insgesamt stehen nach Diakonie-Angaben 108 Plätze auf den Geländen von Kirchengemeinden zur Verfügung. Die Belegung: maximal drei Personen. Wer hier kein Glück hatte, der konnte nachmittags einen Platz in einer der beiden Massenunterkünften in ehemaligen Schulen im Hamburger Osten erhalten. Wir haben die Eröffnung den Tag über begleitet und via twitter live berichtet.

Bereits eine Stunde vor Beginn warteten rund 60 Menschen vor der Tür der TAS. Dass der Andrang nicht größer war – wie in den Vorjahren – dürfte an den ungewöhnlich warmen Temperaturen von 18 Grad gelegen haben. Viele bewarben sich gemeinsam auf einen Container: Es gibt nur sehr wenige Einzelcontainer. Denis, ein ehemaliger LKW-Fahrer, und Stefan, gelernter Koch, hofften auf einen gemeinsamen Platz. Sie hatten sich vor ein paar Monaten beim Platte machen kennen gelernt und halten seither zusammen. Das ist auch absolut notwendig, erzählten die beiden. Stefan wurde schon der Brustbeutel abgeschnitten, als er schlief. „Im Container weißt Du, dass deine Sachen sicher sind“, sagt Denis.

Bildergalerie

  • Hinz&Künztler Ference verbrachte acht Nächte vor der Tagesaufenthaltsstätte (TAS) in der Bundesstraße.
  • TAS-Leiter Uwe Martiny erklärt die Platzvergabe.
  • Ernests wird mit der Nummer 24 zur Platzvergabe gerufen. Seinen Container teilt er sich mit dem Litauer Audrius.
  • Für die Wartenden gibt es Kaffee und belegte Brötchen in der TAS.
  • Zanfir und Ivan studieren in der Hammer Straße die Hausordnung. Das Pärchen aus Bukarest muss getrennt schlafen.
  • Am Abend drängen viele Obdachlose in die Weddestraße.

Bruno, der früher Facharbeiter für Mechatronik war, hat seine Platte am Altonaer Balkon in einem Zelt. Den Sommer über war er mit einem selbst gebauten Lastenfahrrad unterwegs,„von Altona bis Görlitz“. Der Rentner wird am Ende „überglücklich“ sein, dass er einen Platz zugeteilt bekommen hat: „Das ist wie ein Lottogewinn.“

Hinz&Künztler Ferenc hatte bereits acht Tage zuvor an der Bundesstraße Platte gemacht: Er wollte unbedingt einen der fünf Plätze für Obdachlose mit Hund ergattern. TAS-Leiter Uwe Martiny hatte zuvor Listen ausgelegt, in die sich die Bewerber eintragen konnten. Am Samstag bekam dann jeder Bewerber eine Nummer in die Hand gedrückt. Die Platzvergabe startete um kurz nach 9 Uhr morgens und dauerte bis in den späten Nachmittag. Am Ende des Tages waren alle Containerplätze vergeben. Für Ferenc hat sich das lange Warten gelohnt: Er erhält einen Platz für sich und seinen Hund Ricky.

Weniger Glück hatten die beiden Hinz&Künztler Alexsas und Audrius. Zuletzt verbrachten sie die Nächte im Pik As. Doch dort wurden sie zum Verlassen aufgefordert. Jetzt wollen sie gerne zusammen in einen Container ziehen. Doch der Plan geht nicht auf. Audrius erhält einen Platz in Hamm, Alexas einen in Niendorf. Alexas ist trotzdem zufrieden.„Ich kehre zurück nach Hause“, sagt der 58-Jährige und muss selber darüber ein wenig lachen. Bereits den vergangenen Winter verbrachte in der Kirchengemeinde Niendorf. Dort hat es ihm gefallen. Seinen neuen Mitbewohner kennt er noch nicht. Erst am Montag ist sein Container bezugsbereit. Deswegen musste er am Wochenende in der ehemaligen Schule Weddestraße Zuflucht suchen. „Das war nicht schön“, sagt Alexsas. „Ich kam etwas zu spät und musste dann mit zehn Leuten in einem Zimmer schlafen.“

Dabei herrschte am Nachmittag bei der Öffnung am Standort Hammer Straße kaum Andrang. Eine halbe Stunde, bevor hier die Tür geöffnet wird, stehen nur wenige Menschen hier. Neben der Witterung könnte es auch daran liegen, dass der erste Shuttle-Bus, der Obdachlose vom Bahnhof nach Hamm bringen soll, erst um 17.30 Uhr startet. Im Gegensatz zu den Containern müssen die Menschen hier in Mehrbettzimmern übernachten. Täglich sind die Sozialarbeiter von fördern und wohnen (f&w) bis 21 Uhr vor Ort – danach sind nur noch die Sicherheitsleute von Stolzenburg Security da. Und jeden Morgen um 9 Uhr müssen alle Bewohner die Schule verlassen.

Längst nicht so entspannt ging es in der Weddestraße zu. Die zweite Massenunterkunft für Obdachlose öffnete erst um 19 Uhr. Rund 60 Menschen drängelten sich vor der Tür, darunter viele Afrikaner und Osteuropäer. „Zwei Stunden musste ich warten bis ich reingekommen bin“, erzählt uns Alexsas. Der Grund: Alle Gäste werden auf Waffen und Alkohol kontrolliert. Taschenmesser, Bier und Schnaps müssen abgegeben werden und erhalten die Obdachlosen erst morgens zurück, wenn sie die Unterkunft verlassen. Und alle Neulinge müssen einmal vorsprechen.

Derzeit hält die Stadt 600 Plätze bereit. Nachdem in der ersten Nacht nur 233 Betten belegt wurden, waren Montag früh bereits 296 Plätze vergeben. Und das, obwohl die Temperaturen noch recht milde sind. Etwa 250 weitere Plätze sollen bis Mitte Dezember in Container an der Amsinckstraße entstehen. Schon jetzt wird deutlich, dass diese Plätze dringend benötigt werden.

Text: Simone Deckner, Jonas Füllner
Fotos: Dmitrij Leltschuk

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