Immer öfter nehmen Menschen, die sozial ausgegrenzt werden, das Heft selbst in die Hand und organisieren aktiv Proteste – wie etwa Flüchtlinge. Mit dieser neuen Protestkultur befasst sich die Veranstaltungsreihe „Gerechte Stadt“ am Dienstag.
Sie schlagen öffentlich Zelte auf und machen sich so sichtbar: die Lampedusa-Flüchtlinge am Steindamm ebenso wie eine Gruppe von Flüchtlingen in Berlin am Oranienburger Platz. Sie besetzen leer stehende Gebäude. Sie verfassen Erklärungen und laden zu Demonstrationen ein. All das sind Beispiele für eine noch recht neue Form des Protests: selbst organisiert und abgekoppelt von etablierten Akteuren. In der Diskussionsreihe „Gerechte Stadt“ geht es am Dienstag um diese Form der Selbstermächtigung: „Sind neue Formen von Protest nötig? Der harte Weg aus der Marginalisierung“ heißt der Titel der Veranstaltung.
Tobias Neef vom Göttinger Institut für Demokratieforschung war in Berlin vor Ort. Er hat sowohl mit Flüchtlingen als auch mit Unterstützern gesprochen. Die dort gesammelten Erkenntnisse haben Neef und seine Kollegen in der provokanten These zusammen gefasst: How does it feel to be a problem? Wie fühlt es sich an, ein Problem zu sein? Die Frage, mit der sich die Demokratieforscher besonders beschäftigt haben: Wie organisieren die Flüchtlinge unter schwierigsten Bedingungen ihre Teilhabe in der Gesellschaft? Und: Was treibt sie an? Es gehe bei dem Protest um eine „kollektive Form der Anerkennung“, hat Neef herausgefunden. In seinem Impulsvortrag wird er Genaueres darüber berichten.
Der Protest ist immer häufiger laut und fordernd. Wie reagiert die Gesellschaft darauf? Was kann sie vielleicht sogar daraus lernen? Mit Hendrikje Blandow-Schlegel von der Flüchtlingshilfe Harvestehude diskutiert die Unterstützerin einer geplanten Flüchtlingsunterkunft mit. Gerade sehen sich Blandow-Schlegel und ihre Mitstreiter mit einer Klage gegen die geplante Unterkunft an den Sophienterrassen konfrontiert. Dennoch wächst die Bereitschaft zum Protest auch in den gut bürgerlichen Quartieren, wie das Beispiel Harvestehude zeigt. Immer öfter engagieren sich Bürger, weil das Vertrauen in „die da oben“ gestört ist. Die Veranstaltung geht auch der Frage nach, welche demokratischen Aushandlungsprozesse braucht diese neue gewonnene Lust am Protest?
Darüber diskutieren:
Christoph Twickel, Journalist und Aktivist der Recht auf Stadt-Bewegung
ein Vertreter aus der Stadtteilarbeit in Hamburg-Bahrenfeld
Hendrikje Blandow-Schlegel, 1. Vorsitzende der Flüchtlingshilfe Harvestehude
Tobias Neef, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Demokratieforschung der Universität Göttingen
Moderation: Burkhard Plemper, Journalist
Dienstag. 28. Oktober, 17 Uhr, Dorothee-Sölle-Haus, Königstraße 54, Eintritt frei